Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Begriffs, der das Subjekt eines solchen Unheils ist, für sich auszudrücken, in welchem Fall manches besondere Urtheil ein allgemeines seyn würde. Z.B. das besondere Urtheil: »einige Bäume tragen Galläpfel«, wird zum allgemeinen, weil man für diese Abzweigung des Begriffs Baum ein eigenes Wort hat: »alle Eichen tragen Galläpfel«. Eben so verhält sich das Urtheil: »einige Menschen sind schwarz«, zu dem: »alle Mohren sind schwarz«. – Oder aber jener Unterschied beruht darauf, daß im Kopfe des Urtheilenden der Begriff, welchen er zum Subjekt des besondern Unheils macht, sich nicht deutlich abgesondert hat von dem allgemeinen Begriff, als dessen Theil er ihn bezeichnet, sonst er statt dessen ein allgemeines Urtheil würde aussprechen können: z.B. statt des Urtheils: »einige Wiederkäuer haben obere Vorderzähne«, dieses: »alle ungehörnten Wiederkäuer haben obere Vorderzähne«.
Das hypothetische und das disjunktive Urtheil sind Aussagen über das Verhältniß zweier (beim disjunktiven auch mehrerer) kategorischer Urtheile zu einander. – Das hypothetische Urtheil sagt aus, daß von der Wahrheit des ersten der hier verknüpften kategorischen Urtheile die des zweiten abhängt, und von der Unwahrheit des zweiten die des ersten; also, daß diese zwei Sätze, in Hinsicht auf Wahrheit und Unwahrheit, in direkter Gemeinschaft stehn. – Das disjunktive Urtheil hingegen sagt aus, daß von der Wahrheit des einen der hier verknüpften kategorischen Urtheile die Unwahrheit der übrigen abhänge, und umgekehrt; also daß diese Sätze, in Hinsicht auf Wahrheit und Unwahrheit, in Widerstreit stehn. – Die Frage ist ein Urtheil, von dessen drei Stücken eines offen gelassen ist: also entweder die Kopula: »ist Kajus ein Römer – oder nicht?« oder das Prädikat: »ist Kajus ein Römer – oder etwas Anderes?« oder das Subjekt: »ist Kajus ein Römer – oder ist es ein Anderer?« – Die Stelle des offen gelassenen Begriffs kann auch ganz leer bleiben, z.B. was ist Kajus? – wer ist ein Römer?
Die epagôgê , inductio , bei Aristoteles, ist das Gegentheil der apagôgê . Diese weist einen Satz als falsch nach, indem sie zeigt, daß was aus ihm folgen würde, nicht wahr ist; also durch die instantia in contrarium . Die epagôgê hingegen weist die Wahrheit eines Satzes dadurch nach, daß sie zeigt, daß was aus ihm folgen würde, wahr ist. Sie treibt demnach durch Beispiele zu einer Annahme hin; die apagôgê treibt eben so von ihr ab. Mithin ist die epagôgê , oder Induktion, ein Schluß von den Folgen auf den Grund, und zwar modo ponente : denn sie stellt aus vielen Fällen die Regel auf, aus der diese dann wieder die Folgen sind. Eben deshalb ist sie nie vollkommen sicher, sondern bringt es höchstens zu sehr großer Wahrscheinlichkeit. Indessen kann diese formelle Unsicherheit, durch die Menge der aufgezählten Folgen, einer materiellen Sicherheit Raum geben; in ähnlicher Weise, wie in der Mathematik die irrationalen Verhältnisse, mittelst Decimalbrüchen, der Rationalität unendlich nahe gebracht werden. Die apagôgê hingegen ist zunächst der Schluß vom Grunde auf die Folgen, verfährt jedoch nachher modo tollente , indem sie das Nichtdaseyn einer nothwendigen Folge nachweist und dadurch die Wahrheit des angenommenen Grundes aufhebt. Eben deshalb ist sie stets vollkommen sicher und leistet durch ein einziges sicheres Beispiel in contrarium mehr, als die Induktion durch unzählige Beispiele für den aufgestellten Satz. So sehr viel leichter ist widerlegen, als beweisen, umwerfen, als aufstellen.
Kapitel 10. Zur Syllogistik
Wiewohl es sehr schwer hält, über einen seit mehr als zwei Tausend Jahren von Unzähligen behandelten Gegenstand, der überdies nicht durch Erfahrungen Zuwachs erhält, eine neue und richtige Grundansicht aufzustellen; so darf dies mich doch nicht abhalten, den hier folgenden Versuch einer solchen dem Denker zur Prüfung vorzulegen.
Ein Schluß ist die Operation unserer Vernunft, vermöge welcher aus zwei Urtheilen, durch Vergleichung derselben, ein drittes entsteht, ohne daß dabei irgend anderweitige Erkenntniß zu Hülfe genommen würde. Die Bedingung hiezu ist, daß solche zwei Urtheile einen Begriff gemein haben: denn sonst sind sie sich fremd und ohne alle Gemeinschaft. Unter dieser Bedingung aber werden sie Vater und Mutter eines Kindes, welches von Beiden etwas an sich hat. Auch ist besagte Operation kein Akt der Willkür, sondern der Vernunft, welche, der
Weitere Kostenlose Bücher