Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Bilde von Stäben zu denken, die, zum Behuf der Vergleichung bald mit dem einen, bald mit dem andern Ende aneinandergehalten werden: die verschiedenen Weisen aber, nach denen dies geschehn kann, geben die drei Figuren. Da nun jede Prämisse ihr Subjekt und ihr Prädikat enthält; so sind diese zwei Begriffe als an den beiden Enden jedes Stabes befindlich vorzustellen. Verglichen werden jetzt die beiden Urtheile hinsichtlich der in ihnen beiden verschiedenen Begriffe: denn der dritte Begriff muß in beiden, wie schon erwähnt, der selbige seyn; daher er keiner Vergleichung unterworfen, sondern Das ist, woran , d.h. in Bezug worauf, die beiden andern verglichen werden: es ist der Medius . Dieser ist sonach immer nur das Mittel und nicht die Hauptsache. Die beiden disparaten Begriffe hingegen sind der Gegenstand des Nachdenkens, und ihr Verhältniß zu einander, mittelst der Urtheile, in denen sie enthalten sind, herauszubringen, ist der Zweck des Syllogismus: daher eben redet die Konklusion nur von ihnen, nicht aber vom Medius, als welcher ein bloßes Mittel, ein Maaßstab war, den man fallen läßt, sobald er gedient hat. Ist nun dieser in beiden Sätzen identische Begriff, also der Medius, in einer Prämisse, das Subjekt derselben; so muß der zu vergleichende Begriff ihr Prädikat seyn, und umgekehrt. Sogleich stellt sich hier a priori die Möglichkeit dreier Fälle heraus: entweder nämlich wird das Subjekt der einen Prämisse mit dem Prädikat der andern verglichen, oder aber das Subjekt der einen mit dem Subjekt der andern, oder endlich das Prädikat der einen mit dem Prädikat der andern. Hieraus entstehn die drei syllogistischen Figuren des Aristoteles : die vierte, welche, etwas naseweis, hinzugefügt worden, ist unächt und eine Afterart: man schreibt sie dem Galenus zu; jedoch beruht dies bloß auf Arabischen Auktoritäten. Jede der drei Figuren stellt einen ganz verschiedenen, richtigen und natürlichen Gedankengang der Vernunft beim Schließen dar.
Ist nämlich, in den zwei zu vergleichenden Urtheilen, das Verhältniß zwischen dem Prädikat des einen und dem Subjekt des andern der Zweck der Vergleichung; so entsteht die erste Figur . Diese allein hat den Vorzug, daß die Begriffe, welche in der Konklusion Subjekt und Prädikat sind, beide auch schon in den Prämissen in der selben Eigenschaft auftreten; während in den zwei andern Figuren stets einer von ihnen in der Konklusion seine Rolle wechseln muß. Dadurch aber hat in der ersten Figur das Resultat stets weniger Neuheit und Ueberraschendes, als in den beiden andern. Jener Vorzug der ersten Figur wird nur dadurch erreicht, daß das Prädikat der Major verglichen wird mit dem Subjekt der Minor; nicht aber umgekehrt: welches daher hier wesentlich ist und herbeiführt, daß der Medius die beiden ungleichnamigen Stellen einnimmt, d.h. in der Major Subjekt und in der Minor Prädikat ist; woraus eben wieder seine untergeordnete Bedeutung hervorgeht, indem er figurirt als ein bloßes Gewicht, welches man beliebig bald in die eine, bald in die andere Waagschaale legt. Der Gedankengang bei dieser Figur ist, daß dem Subjekt der Minor das Prädikat der Major zukommt, weil das Subjekt der Major dessen eigenes Prädikat ist; oder im negativen Fall, aus dem selben Grunde, das Umgekehrte. Hier wird also den durch einen Begriff gedachten Dingen eine Eigenschaft beigelegt, weil sie einer andern anhängt, die wir schon an ihnen kennen; oder umgekehrt. Daher ist hier das leitende Princip: nota notae est nota rei ipsius, et repugnans notae repugnat rei ipsi.
Vergleichen wir hingegen zwei Urtheile in der Absicht, das Verhältniß, welches die Subjekte beider zu einander haben mögen, herauszubringen; so müssen wir zum gemeinsamen Maaßstab das Prädikat derselben nehmen: dieses wird demnach hier der Medius und muß folglich in beiden Urtheilen das selbe seyn. Daraus entsteht die zweite Figur . Hier wird das Verhältniß zweier Subjekte zu einander bestimmt, durch dasjenige, welches sie zu einem und dem selben Prädikat haben. Dies Verhältniß kann aber nur dadurch bedeutsam werden, daß das selbe Prädikat dem einen Subjekt beigelegt, dem andern abgesprochen wird, als wodurch es zu einem wesentlichen Unterscheidungsgrunde beider wird. Denn würde es beiden Subjekten beigelegt; so könnte dies über ihr Verhältniß zu einander nicht entscheidend seyn: weil fast jedes Prädikat unzähligen Subjekten zukommt. Noch weniger würde es entscheiden, wenn man es beiden
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