Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
auf den Andern berechnet; der Humor aber subjektiv, nämlich zunächst nur für das eigene Selbst da. Demgemäß finden die Meisterstücke der Ironie sich bei den Alten, die des Humors bei den Neueren. Denn näher betrachtet, beruht der Humor auf einer subjektiven, aber ernsten und erhabenen Stimmung, welche unwillkürlich in Konflikt geräth mit einer ihr sehr heterogenen, gemeinen Außenwelt, der sie weder ausweichen, noch sich selbst aufgeben kann; daher sie, zur Vermittelung, versucht, ihre eigene Ansicht und jene Außenwelt durch die selben Begriffe zu denken, welche hiedurch eine doppelte, bald auf dieser bald auf der andern Seite liegende Inkongruenz zu dem dadurch gedachten Realen erhalten, wodurch der Eindruck des absichtlich Lächerlichen, also des Scherzes entsteht, hinter welchem jedoch der tiefste Ernst versteckt ist und durchscheint. Fängt die Ironie mit ernster Miene an und endigt mit lächelnder, so hält der Humor es umgekehrt. Als ein Beispiel von diesem kann schon der oben angeführte Ausdruck des Merkutio gelten. Desgleichen im Hamlet: Polonius : »Gnädigster Herr, ich will ehrerbietigst Abschied von Ihnen nehmen. – Hamlet : Sie können nichts von mir nehmen, was ich williger hergäbe; – ausgenommen mein Leben, ausgenommen mein Leben, ausgenommen mein Leben.« – Sodann, vor der Aufführung des Schauspiels bei Hofe, sagt Hamlet zur Ophelia: »Was sollte ein Mensch Anderes thun, als lustig seyn? Denn seht nur, wie vergnügt meine Mutter aussieht, und mein Vater ist doch erst vor zwei Stunden gestorben. – Ophelia : Vor zwei Mal zwei Monaten, gnädigster Herr. – Hamlet : So lang ist's her?! Ei, da mag der Teufel noch schwarz gehn! ich will mir ein munteres Kleid machen lassen.« – Ferner auch in Jean Pauls »Titan«, wenn der tiefsinnig gewordene und nun über sich selbst brütende Schoppe öfter seine Hände ansehend zu sich sagt: »Da sitzt ein Herr leibhaftig und ich in ihm: wer ist aber solcher?« – Als wirklicher Humorist tritt Heinrich Heine auf, in seinem »Romancero«: hinter allen seinen Scherzen und Possen merken wir einen tiefen Ernst, der sich schämt unverschleiert hervorzutreten. – Demnach beruht der Humor auf einer besondern Art der Laune (wahrscheinlich von Luna ), durch welchen Begriff, in allen seinen Modifikationen, ein entschiedenes Ueberwiegen des Subjektiven über das Objektive, bei der Auffassung der Außenwelt, gedacht wird. Auch jede poetische, oder künstlerische Darstellung einer komischen, ja sogar possenhaften Scene, als deren verdeckter Hintergrund jedoch ein ernster Gedanke durchschimmert, ist Produkt des Humors, also humoristisch. Dahin gehört z.B. eine kolorirte Zeichnung von Tischbein : sie stellt ein ganz leeres Zimmer dar, welches seine Beleuchtung allein von dem im Kamin lodernden Feuer erhält. Vor diesem steht ein Mensch, in der Weste, so daß, von seinen Füßen ausgehend, der Schatten seiner Person sich über das ganze Zimmer streckt. »Das ist Einer«, kommentirte Tischbein dazu, »dem in der Welt nichts hat gelingen wollen und der es zu nichts gebracht hat: jetzt freut er sich, daß er doch einen so großen Schatten werfen kann.« Sollte ich nun aber den hinter diesen Scherz versteckten Ernst aussprechen; so könnte ich es am besten durch folgende dem Persischen Gedichte Anwari Soheili entnommene Verse:
»Ist einer Welt Besitz für dich zerronnen,
Sei nicht im Leid darüber, es ist nichts;
Und hast du einer Welt Besitz gewonnen,
Sei nicht erfreut darüber, es ist nichts.
Vorüber gehn die Schmerzen und die Wonnen,
Geh' an der Welt vorüber, es ist nichts.« –
Daß heut zu Tage in der Deutschen Litteratur »humoristisch« durchgängig in der Bedeutung von »komisch« überhaupt gebraucht wird, entspringt aus der erbärmlichen Sucht, den Dingen einen vornehmeren Namen zu geben, als ihnen zukommt, nämlich den einer über ihnen stehenden Klasse: so will jedes Wirthshaus Hotel, jeder Geldwechsler Banquier, jede Reiterbude Cirkus, jedes Konzert Musikalische Akademie, das Kaufmannskomptoir Büreau, der Töpfer Thonkünstler heißen, – demnach auch jeder Hanswurst Humorist. Das Wort Humor ist von den Engländern entlehnt, um eine, bei ihnen zuerst bemerkte, ganz eigenthümliche, sogar, wie oben gezeigt, dem Erhabenen verwandte Art des Lächerlichen auszusondern und zu bezeichnen; nicht aber um jeden Spaaß und jede Hanswurstiade damit zu betiteln, wie jetzt in Deutschland allgemein, ohne Opposition, geschieht, von Litteraten und
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