Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
empirische) Anschauung, oder aber bloß ein anderes Urtheil seyn kann: dieses Andere und Verschiedene heißt alsdann der Grund des Unheils. Sofern ein Urtheil dem ersten Denkgesetz genügt, ist es denkbar ; sofern es dem zweiten genügt, ist es wahr , wenigstens logisch oder formell wahr, wenn nämlich der Grund des Urtheils wieder nur ein Urtheil ist. Die materielle, oder absolute Wahrheit aber ist zuletzt doch immer nur das Verhältniß zwischen einem Urtheil und einer Anschauung, also zwischen der abstrakten und der anschaulichen Vorstellung. Dies Verhältniß ist entweder ein unmittelbares, oder aber vermittelt durch andere Urtheile, d.h. durch andere abstrakte Vorstellungen. Hienach ist leicht abzusehn, daß nie eine Wahrheit die andere umstoßen kann, sondern alle zuletzt in Uebereinstimmung seyn müssen; weil im Anschaulichen, ihrer gemeinsamen Grundlage, kein Widerspruch möglich ist. Daher hat keine Wahrheit die andere zu fürchten. Trug und Irrthum hingegen haben jede Wahrheit zu fürchten; weil, durch die logische Verkettung aller, auch die entfernteste ein Mal ihren Stoß auf jeden Irrthum fortpflanzen muß. Dieses zweite Denkgesetz ist demnach der Anknüpfungspunkt der Logik an Das, was nicht mehr Logik, sondern Stoff des Denkens ist. Folglich besteht in der Uebereinstimmung der Begriffe, also der abstrakten Vorstellung, mit dem in der anschaulichen Vorstellung Gegebenen, nach der Seite des Objekts, die Wahrheit , und nach der Seite des Subjekts, das Wissen .
Das obige Vereint- oder Getrennt-seyn zweier Begriffssphären auszudrücken ist die Bestimmung der Kopula: »ist – ist nicht.« Durch diese ist jedes Verbum mittelst seines Particips ausdrückbar. Daher besteht alles Urtheilen im Gebrauch eines Verbi, und umgekehrt. Demnach ist die Bedeutung der Kopula, daß im Subjekt das Prädikat mitzudenken sei – nichts weiter. Jetzt erwäge man, worauf der Inhalt des Infinitivs der Kopula, » Seyn «, hinausläuft. Dieser nun aber ist ein Hauptthema der Professorenphilosophie gegenwärtiger Zeit. Indessen muß man es mit ihnen nicht so genau nehmen: die meisten nämlich wollen damit nichts Anderes, als die materiellen Dinge, die Körperwelt, bezeichnen, welcher sie, als vollkommen unschuldige Realisten, im Grund ihres Herzens, die höchste Realität beilegen. Nun aber so geradezu von den Körpern zu reden scheint ihnen zu vulgär: daher sagen sie »das Seyn«, als welches vornehmer klingt – und denken sich dabei die vor ihnen stehenden Tische und Stühle.
»Denn, weil, warum, darum, also, da, obgleich, zwar, dennoch, sondern, wenn – so, entweder – oder«, und ähnliche mehr, sind eigentlich logische Partikeln ; da ihr alleiniger Zweck ist, das Formelle der Denkprocesse auszudrücken. Sie sind daher ein kostbares Eigenthum einer Sprache und nicht allen in gleicher Anzahl eigen. Namentlich scheint zwar (das zusammengezogene »es ist wahr«) der deutschen Sprache ausschließlich anzugehören: es bezieht sich allemal auf ein folgendes, oder hinzugedachtes aber, wie wenn auf so.
Die logische Regel, daß die der Quantität nach einzelnen Urtheile, also die, welche einen Einzelbegriff (notio singularis) zum Subjekt haben, eben so zu behandeln sind, wie die allgemeinen Urtheile , beruht darauf, daß sie in der That allgemeine Urtheile sind, die bloß das Eigene haben, daß ihr Subjekt ein Begriff ist, der nur durch ein einziges reales Objekt belegt werden kann, mithin nur ein einziges unter sich begreift: so, wenn der Begriff durch einen Eigennamen bezeichnet wird. Dies kommt aber eigentlich erst in Betracht, wenn man von der abstrakten Vorstellung abgeht zur anschaulichen, also die Begriffe realisiren will. Beim Denken selbst, beim Operiren mit den Urtheilen, entsteht daraus kein Unterschied; weil eben zwischen Einzelbegriffen und Allgemeinbegriffen kein logischer Unterschied ist: »Immanuel Kant« bedeutet logisch: » alle Immanuel Kant«. Demnach ist die Quantität der Urtheile eigentlich nur zwiefach: allgemeine und partikulare. Eine einzelne Vorstellung kann gar nicht das Subjekt eines Unheils seyn; weil sie kein Abstraktum, kein Gedachtes, sondern ein Anschauliches ist: jeder Begriff hingegen ist wesentlich allgemein, und jedes Urtheil muß einen Begriff zum Subjekt haben.
Der Unterschied der besondern Urtheile (propositiones particulares) von den allgemeinen beruht oft nur auf dem äußern und zufälligen Umstande, daß die Sprache kein Wort hat, um den hier abzuzweigenden Theil des allgemeinen
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