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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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nachweislich der Fall ist; da die organischen Funktionen nicht weniger als die animalischen sein Werk sind. Wie nun aber ist es hiemit zu vereinigen, daß die willkürlichen Aktionen, diese unleugbarsten Aeußerungen des Willens, doch offenbar vom Gehirn ausgehn, sodann erst, durch das Mark, in die Nervenstämme gelangen, welche endlich die Glieder in Bewegung setzen, und deren Lähmung, oder Durchschneidung, daher die Möglichkeit der willkürlichen Bewegung aufhebt? Danach sollte man denken, daß der Wille, eben wie der Intellekt, seinen Sitz allein im Gehirn habe und, eben wie dieser, eine bloße Funktion des Gehirns sei.
    Diesem ist jedoch nicht so; sondern der ganze Leib ist und bleibt die Darstellung des Willens in der Anschauung, also der, vermöge der Gehirnfunktionen, objektiv angeschaute Wille selbst. Jener Hergang, bei den Willensakten, beruht aber darauf, daß der Wille, welcher, nach meiner Lehre, in jeder Erscheinung der Natur, auch der vegetabilischen und unorganischen, sich äußert, im menschlichen und thierischen Leibe als ein bewußter Wille auftritt. Ein Bewußtsein aber ist wesentlich ein einheitliches und erfordert daher stets einen centralen Einheitspunkt. Die Nothwendigkeit des Bewußtseyns wird, wie ich oft auseinandergesetzt habe, dadurch herbeigeführt, daß, in Folge der gesteigerten Komplikation und dadurch der mannigfaltigeren Bedürfnisse eines Organismus, die Akte seines Willens durch Motive gelenkt werden müssen, nicht mehr, wie auf den tieferen Stufen, durch bloße Reize. Zu diesem Behuf mußte er hier mit einem erkennenden Bewußtsein, also mit einem Intellekt, als dem Medio und Ort der Motive, versehn auftreten. Dieser Intellekt, wenn selbst objektiv angeschaut, stellt sich dar als das Gehirn, nebst Dependenzien, also Rückenmark und Nerven. Er nun ist es, in welchem, auf Anlaß äußerer Eindrücke, die Vorstellungen entstehn, welche zu Motiven für den Willen werden. Im vernünftigen Intellekt aber erfahren sie hiezu überdies noch eine weitere Verarbeitung durch Reflexion und Ueberlegung. Ein solcher Intellekt nun also muß zuvörderst alle Eindrücke, nebst deren Verarbeitung durch seine Funktionen, sei es zu bloßer Anschauung, oder zu Begriffen, in einen Punkt vereinigen, der gleichsam der Brennpunkt aller seiner Strahlen wird, damit jene Einheit des Bewußtseins entstehe, welche das theoretische Ich ist, der Träger des ganzen Bewußtseyns, in welchem selbst es mit dem wollenden Ich, dessen bloße Erkenntnißfunktion es ist, als identisch sich darstellt. Jener Einheitspunkt des Bewußtseyns, oder das theoretische Ich, ist eben Kants synthetische Einheit der Apperception, auf welche alle Vorstellungen sich wie auf eine Perlenschnur reihen und vermöge deren das »Ich denke«, als Faden der Perlenschnur, »alle unsere Vorstellungen muß begleiten können« A4 . – Dieser Sammelplatz der Motive also, woselbst ihr Eintritt in den einheitlichen Fokus des Bewußtseyns Statt hat, ist das Gehirn. Hier werden sie im vernunftlosen Bewußtseyn bloß angeschauet, im vernünftigen durch Begriffe verdeutlicht, also noch allererst in abstracto gedacht und verglichen; worauf der Wille sich, seinem individuellen und unwandelbaren Charakter gemäß, entscheidet, und so der Entschluß hervorgeht, welcher nunmehr, mittelst des Cerebellums, des Marks und der Nervenstämme, die äußeren Glieder in Bewegung setzt. Denn, wenn gleich auch in diesen der Wille ganz unmittelbar gegenwärtig ist, indem sie seine bloße Erscheinung sind; so bedurfte er, wo er nach Motiven , oder gar nach Ueberlegung, sich zu bewegen hat, eines solchen Apparats, zur Auffassung und Verarbeitung der Vorstellungen zu solchen Motiven, in deren Gemäßheit seine Akte hier als Entschlüsse auftreten; – eben wie die Ernährung des Bluts, durch den Chylus, eines Magens und der Gedärme bedarf, in welchen dieser bereitet wird und dann als solcher ihm zufließt durch den ductus thoracicus , welcher hier die Rolle spielt, die dort das Rückenmark hat. – Am einfachsten und allgemeinsten läßt die Sache sich so fassen: der Wille ist in allen Muskelfasern des ganzen Leibes als Irritabilität unmittelbar gegenwärtig, als ein fortwährendes Streben zur Thätigkeit überhaupt. Soll nun aber dieses Streben sich realisiren, also sich als Bewegung äußern; so muß diese Bewegung, eben als solche, irgend eine Richtung haben: diese Richtung aber muß durch irgend etwas bestimmt werden: d.h. sie bedarf eines Lenkers: dieser nun ist

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