Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
der Wille sich am unmittelbarsten im Blute objektivirt, als welches den Organismus ursprünglich schafft und formt, ihn durch Wachsthum vollendet und nachher ihn fortwährend erhält, sowohl durch regelmäßige Erneuerung aller, als durch außerordentliche Herstellung etwan verletzter Theile. Das erste Produkt des Blutes sind seine eigenen Gefäße und dann die Muskeln, in deren Irritabilität der Wille sich dem Selbstbewußtseyn kund giebt, hiemit aber auch das Herz, als welches zugleich Gefäß und Muskel, und deshalb das wahre Centrum und primum mobile des ganzen Lebens ist. Zum individuellen Leben und Bestehn in der Außenwelt bedarf nun aber der Wille zweier Hülfssysteme: nämlich eines zur Lenkung und Ordnung seiner innern und äußern Thätigkeit, und eines andern zur steten Erneuerung der Masse des Bluts; also eines Lenkers und eines Erhalters. Daher schafft er sich das Nerven- und das Eingeweide-System: also, zu den functiones vitales , welche die ursprünglichsten und wesentlichsten sind, gesellen sich subsidiarisch die functiones animales und die functiones naturales . Im Nervensystem objektivirt der Wille sich demnach nur mittelbar und sekundär; sofern nämlich dieses als ein bloßes Hülfsorgan auftritt, als eine Veranstaltung, mittelst welcher die theils innern, theils äußern Veranlassungen, auf welche der Wille sich, seinen Zwecken gemäß, zu äußern hat, zu seiner Kunde gelangen: die innern empfängt das plastische Nervensystem, also der sympathische Nerv, dieses cerebrum abdominale , als bloße Reize, und der Wille reagirt darauf an Ort und Stelle, ohne Bewußtsein des Gehirns; die äußern empfängt das Gehirn , als Motive , und der Wille reagirt darauf durch bewußte, nach außen gerichtete Handlungen. Mithin macht das ganze Nervensystem gleichsam die Fühlhörner des Willens aus, die er nach innen und außen streckt. Die Gehirn- und Rückenmarks-Nerven zerfallen, an ihren Wurzeln, in sensibele und motorische. Die sensibeln empfangen die Kunde von außen, welche nun sich im Heerde des Gehirns sammelt und daselbst verarbeitet wird, woraus Vorstellungen, zunächst als Motive, entstehn. Die motorischen Nerven aber hinterbringen, wie Kouriere, das Resultat der Gehirnfunktion dem Muskel, auf welchen dasselbe als Reiz wirkt und dessen Irritabilität die unmittelbare Erscheinung des Willens ist. Vermuthlich zerfallen die plastischen Nerven ebenfalls in sensibele und motorische, wiewohl auf einer untergeordneten Skala. – Die Rolle, welche im Organismus die Ganglien spielen, haben wir als eine diminutive Gehirnrolle zu denken, wodurch die eine zur Erläuterung der andern wird. Die Ganglien liegen überall, wo die organischen Funktionen des vegetativen Systems einer Aufsicht bedürfen. Es ist als ob daselbst der Wille, um seine Zwecke durchzusetzen, nicht mit seinem direkten und einfachen Wirken ausreichen konnte, sondern einer Leitung und deshalb einer Kontrole desselben bedurfte; wie wenn man, bei einer Verrichtung, nicht mit seiner bloßen natürlichen Besinnung ausreicht, sondern was man thut allemal notiren muß. Hiezu reichen, für das Innere des Organismus, bloße Nervenknoten aus; eben weil Alles im eigenen Bereich desselben vorgeht. Hingegen für das Aeußere bedurfte es einer sehr komplicirten Veranstaltung der selben Art: diese ist das Gehirn mit seinen Fühlfäden, welche es in die Außenwelt streckt, den Sinnesnerven. Aber selbst in den mit diesem großen Nervencentro kommunicirenden Organen braucht, in sehr einfachen Fällen, die Angelegenheit nicht vor die oberste Behörde gebracht zu werden; sondern eine untergeordnete reicht aus, das Nöthige zu verfügen: eine solche ist das Rückenmark, in den von Marshall Hall entdeckten Reflexbewegungen, wie das Niesen, Gähnen, Erbrechen, die zweite Hälfte des Schlingens u.a.m. Der Wille selbst ist im ganzen Organismus gegenwärtig, da dieser seine bloße Sichtbarkeit ist: das Nervensystem ist überall bloß da, um eine Direktion seines Thuns möglich zu machen, durch eine Kontrole desselben, gleichsam dem Willen als Spiegel zu dienen, damit er sehe was er thue; wie wir beim Rasiren uns eines Spiegels bedienen. Dadurch entstehn kleine Sensoria im Innern, für specielle und deshalb einfache Verrichtungen, die Ganglien: das Hauptsensorium aber, das Gehirn, ist der große und künstliche Apparat für die komplicirten und vielseitigen, auf die unaufhörlich und unregelmäßig wechselnde Außenwelt bezüglichen Verrichtungen. Wo im Organismus
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