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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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zweite Theil unserer obigen Thesis wird einer ausführlicheren Erörterung bedürfen, selbst nach Allem, was ich bereits in den angeführten Schriften darüber gesagt habe. – Schon oben, Kapitel 18, habe ich nachgewiesen, daß das Ding an sich, welches jeder, also auch unserer eigenen Erscheinung zum Grunde liegen muß, im Selbstbewußtseyn die eine seiner Erscheinungsformen, den Raum, abstreift, und allein die andere, die Zeit, beibehält; weshalb es hier sich unmittelbarer als irgendwo kund giebt, und wir es, nach dieser seiner unverhülltesten Erscheinung, als Willen ansprechen. Nun aber kann, in der bloßen Zeit allein, sich keine beharrende Substanz , dergleichen die Materie ist, darstellen; weil eine solche, wie § 4 des ersten Bandes dargethan, nur durch die innige Vereinigung des Raumes mit der Zeit möglich wird. Daher wird, im Selbstbewußtseyn, der Wille nicht als das bleibende Substrat seiner Regungen wahrgenommen, mithin nicht als beharrende Substanz angeschaut; sondern bloß seine einzelnen Akte, Bewegungen und Zustände, dergleichen die Entschließungen, Wünsche und Affekte sind, werden, successiv und während der Zeit ihrer Dauer, unmittelbar, jedoch nicht anschaulich, erkannt. Die Erkenntniß des Willens im Selbstbewußtseyn ist demnach keine Anschauung desselben, sondern ein ganz unmittelbares Innewerden seiner successiven Regungen. Hingegen für die nach außen gerichtete, durch die Sinne vermittelte und im Verstande vollzogene Erkenntniß, die neben der Zeit auch den Raum zur Form hat, welche Beide sie, durch die Verstandesfunktion der Kausalität, aufs Innigste verknüpft, wodurch sie eben zur Anschauung wird, stellt sich das Selbe, was in der innern unmittelbaren Wahrnehmung als Wille gefaßt wurde, anschaulich dar, als organischer Leib, dessen einzelne Bewegungen die Akte, dessen Theile und Formen die bleibenden Bestrebungen, den Grundcharakter des individuell gegebenen Willens veranschaulichen, ja, dessen Schmerz und Wohlbehagen ganz unmittelbare Affektionen dieses Willens selbst sind.
    Zunächst werden wir dieser Identität des Leibes mit dem Willen inne in den einzelnen Aktionen Beider; da in diesen was im Selbstbewußtseyn als unmittelbarer, wirklicher Willensakt erkannt wird, zugleich und ungetrennt sich äußerlich als Bewegung des Leibes darstellt, und Jeder seine, durch momentan eintretende Motive eben so momentan eintretenden Willensbeschlüsse alsbald in eben so vielen Aktionen seines Leibes so treu abgebildet erblickt, wie diese selbst in seinem Schatten; woraus dem Unbefangenen auf die einfachste Weise die Einsicht entspringt, daß sein Leib bloß die äußerliche Erscheinung seines Willens ist, d.h. die Art und Weise wie, in seinem anschauenden Intellekt, sein Wille sich darstellt; oder sein Wille selbst, unter der Form der Vorstellung. Nur wenn wir dieser ursprünglichen und einfachen Belehrung uns gewaltsam entziehn, können wir, auf eine kurze Weile, den Hergang unserer eigenen Leibesaktion als ein Wunder anstaunen, welches dann darauf beruht, daß zwischen dem Willensakt und der Leibesaktion wirklich keine Kausalverbindung ist: denn sie sind eben unmittelbar identisch , und ihre scheinbare Verschiedenheit entsteht allein daraus, daß hier das Eine und Selbe in zwei verschiedenen Erkenntnißweisen, der innern und der äußern, wahrgenommen wird. – Das wirkliche Wollen ist nämlich vom Thun unzertrennlich, und ein Willensakt im engsten Sinn ist nur der, welchen die That dazu stämpelt. Hingegen bloße Willensbeschlüsse sind, bis zur Ausführung, nur Vorsätze und daher Sache des Intellekts allein: sie haben als solche ihre Stelle bloß im Gehirn und sind nichts weiter, als abgeschlossene Berechnungen der relativen Stärke der verschiedenen, sich entgegenstehenden Motive, haben daher zwar große Wahrscheinlichkeit, aber nie Unfehlbarkeit. Sie können nämlich sich als falsch ausweisen, nicht nur mittelst Aenderung der Umstände, sondern auch dadurch, daß die Abschätzung der respektiven Wirkung der Motive auf den eigentlichen Willen irrig war, welches sich alsdann zeigt, indem die That dem Vorsatz untreu wird: daher eben ist vor der Ausführung kein Entschluß gewiß. Also ist allein im wirklichen Handeln der Wille selbst thätig, mithin in der Muskelaktion, folglich in der Irritabilität : also objektivirt sich in dieser der eigentliche Wille . Das große Gehirn ist der Ort der Motive, woselbst, durch diese, der Wille zur Willkür wird, d.h. eben durch Motive näher

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