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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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als Auktorität zu berufen, ist geradezu lächerlich. Denn im 19. Jahrhundert ist ein Cartesianer in der Philosophie eben Das, was ein Ptolemäianer in der Astronomie, oder ein Stahlianer in der Chemie seyn würde. Für Herrn Flourens nun aber sind die Dogmen des Cartesius Glaubensartikel. Cartesius hat gelehrt: les volontés sont des pensées : also ist es so; wenn gleich Jeder in seinem Innern fühlt, daß Wollen und Denken verschieden sind, wie weiß und schwarz; daher ich oben im neunzehnten Kapitel Dieses habe ausführlich, gründlich und stets am Leitfaden der Erfahrung darthun und verdeutlichen können. Vor Allem aber giebt es, nach Cartesius, dem Orakel des Herrn Flourens, zwei grundverschiedene Substanzen, Leib und Seele: folglich sagt Herr Flourens, als rechtgläubiger Cartesianer: Le premier point est de séparer, même par les mots, ce qui est du corps de ce qui est de l'âme (I, 72). Er belehrt uns ferner, das diese âme réside uniquement et exclusivement dans le cerveau ( II, 137 ); von wo aus sie, nach einer Stelle des Cartesius, die s piritus animales als Kouriere nach den Muskeln sendet, selbst jedoch nur vom Gehirn afficirt werden kann, daher die Leidenschaften ihren Sitz (siège) im Herzen, als welches von ihnen alterirt wird, haben, jedoch ihre Stelle (place) im Gehirn. So, so spricht wirklich das Orakel des Herrn Flourens, welcher davon so sehr erbaut ist, daß er es sogar zwei Mal ( II, 33 , und II, 135 ) nachbetet, zu unfehlbarer Besiegung des unwissenden Bichat , als welcher weder Seele, noch Leib, sondern bloß ein animales und ein organisches Leben kennt, und den er dann hier herablassend belehrt, daß man gründlich unterscheiden müsse die Theile, wo die Leidenschaften ihren Sitz haben (siègent) , von denen, welche sie afficiren . Danach wirken also die Leidenschaften an einer Stelle, während sie an einer andern sind . Körperliche Dinge pflegen nur wo sie sind zu wirken: aber mit so einer immateriellen Seele mag es ein anderes Bewandtniß haben. Was mag überhaupt er und sein Orakel sich bei dieser Unterscheidung von place und siège , von sièger und affecter wohl so eigentlich gedacht haben? – Der Grundirrthum des Herrn Flourens und seines Cartesius entspringt eigentlich daraus, daß sie die Motive, oder Anlässe der Leidenschaften, welche, als Vorstellungen, allerdings im Intellekt, d.i. dem Gehirn, liegen, verwechseln mit den Leidenschaften selbst, die, als Willensbewegungen, im ganzen Leibe, welcher (wie wir wissen) der angeschaute Wille selbst ist, liegen. – Herrn Flourens zweite Auktorität ist, wie gesagt, Gall . Ich freilich habe am Anfang dieses zwanzigsten Kapitels (und zwar bereits in der früheren Auflage) gesagt: »Der größte Irrthum in Galls Schädellehre ist, daß er auch für moralische Eigenschaften Organe des Gehirns aufstellt.« Aber was Ich tadle und verwerfe, ist gerade was Herr Flourens lobt und bewundert: denn er trägt ja das les volontés sont des pensées des Cartesius im Herzen. Demgemäß sagt er, S. 144: Le premier service que Gall a rendit à la physiologie (?) a été de rammener le moral à l'intellectuel, et de faire voir que les facultés morales et les facultés intellectuelles sont des facultés du même ordre, et de les placer toutes, autant les unes que les autres, uniquement et exclusivement dans le cerveau. Gewissermaaßen meine ganze Philosophie, besonders aber das neunzehnte Kapitel dieses Bandes besteht in der Widerlegung dieses Grundirrthums. Herr Flourens hingegen wird nicht müde, eben diesen als eine große Wahrheit und den Gall als ihren Entdecker zu preisen: z.B. S. 147: Si j'en étais à classer les services que nous a rendu Gall, je dirais que le premier a été de rammener les qualités morales au cerveau. – S. 153: Le cerveau seul est l'organe de l'âme , et de l'âme dans toute la plénitude de ses fonctions (man sieht, die Cartesianische einfache Seele steckt, als Kern der Sache, noch immer dahinter); il est le siège de toutes les facultés morales, comme de toutes les facultés intellectuelles. – – – Gall a rammené le moral à l'intellectuel , il a rammené les qualités morales au même siège, au même organe, que les facultés intellectuelles – O wie müssen Bichat und ich uns schämen vor solcher Weisheit! – Aber, ernstlich zu reden, was kann niederschlagender, oder vielmehr empörender seyn, als das Richtige und Tiefgedachte verworfen und dagegen das Falsche und Verkehrte präkonisirt zu sehn; zu erleben,

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