Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Blicks, als ein Zeichen von Geistlosigkeit betrachtet, sowohl an Individuen, wie an Nationen. Ein anderes Symptom des angeregten physiologischen Sachverhältnisses ist der Umstand, daß viele Leute, sobald ihr Gespräch mit ihrem Begleiter anfängt einigen Zusammenhang zu gewinnen, sogleich stillstehn müssen; weil nämlich ihr Gehirn, sobald es ein Paar Gedanken an einander zu haken hat, nicht mehr so viel Kraft übrig behält, wie erforderlich ist, um durch die motorischen Nerven die Beine in Bewegung zu erhalten: so knapp ist bei ihnen Alles zugeschnitten.
Aus dieser ganzen objektiven Betrachtung des Intellekts und seines Ursprungs geht hervor, daß derselbe zur Auffassung der Zwecke, auf deren Erreichung das individuelle Leben und die Fortpflanzung desselben beruht, bestimmt ist, keineswegs aber, das vom Erkennenden unabhängig vorhandene Wesen an sich der Dinge und der Welt wiederzugeben. Was der Pflanze die Empfänglichkeit für das Licht ist, in Folge derer sie ihr Wachsthum der Richtung desselben entgegen lenkt, das Selbe ist, der Art nach, die Erkenntniß des Thieres, ja, auch des Menschen, wenn gleich, dem Grade nach, in dem Maaße gesteigert, wie die Bedürfnisse jedes dieser Wesen es heischen. Bei ihnen allen bleibt die Wahrnehmung ein bloßes Innewerden ihrer Relation zu andern Dingen, und ist keineswegs bestimmt, das eigentliche, schlechthin reale Wesen dieser im Bewußtseyn des Erkennenden noch ein Mal darzustellen. Vielmehr ist der Intellekt, als aus dem Willen stammend, auch nur zum Dienste dieses, also zur Auffassung der Motive, bestimmt: darauf ist er eingerichtet, mithin von durchaus praktischer Tendenz. Dies gilt auch insofern, als wir die metaphysische Bedeutung des Lebens als eine ethische begreifen: denn auch in diesem Sinne finden wir den Menschen nur zum Behufe seines Handelns erkennend. Ein solches, ausschließlich zu praktischen Zweiten vorhandenes Erkenntnißvermögen wird, seiner Natur nach, stets nur die Relationen der Dinge zu einander auffassen, nicht aber das eigene Wesen derselben, wie es an sich selbst ist. Nun aber den Komplex dieser Relationen für das schlechthin und an sich selbst vorhandene Wesen der Welt, und die Art und Weise, wie sie sich, nach den im Gehirn präformirten Gesetzen, nothwendig darstellen, für die ewigen Gesetze des Daseyns aller Dinge zu halten, und nun danach Ontologie, Kosmologie und Theologie zu konstruiren, – dies war eigentlich der uralte Grund-Irrthum, dem Kants Lehre ein Ende gemacht hat. Hier also kommt unsere objektive und daher großentheils physiologische Betrachtung des Intellekts seiner transscendentalen entgegen, ja, tritt, in gewissem Sinne, sogar als eine Einsicht a priori in dieselbe auf, indem sie, von einem außerhalb derselben genommenen Standpunkt, uns genetisch und daher als nothwendig erkennen läßt, was jene, von Thatsachen des Bewußtseins ausgehend, auch nur thatsächlich darlegt. Denn in Folge unserer objektiven Betrachtung des Intellekts ist die Welt als Vorstellung, wie sie, in Raum und Zeit ausgebreitet, dasteht und nach der strengen Regel der Kausalität sich gesetzmäßig fortbewegt, zunächst nur ein physiologisches Phänomen, eine Funktion des Gehirns, welche dieses, zwar auf Anlaß gewisser äußerer Reize, aber doch seinen eigenen Gesetzen gemäß vollzieht. Demnach versteht es sich zum voraus, daß was in dieser Funktion selbst, mithin durch sie und für sie vorgeht, keineswegs für die Beschaffenheit unabhängig von ihr vorhandener und ganz von ihr verschiedener Dinge an sich gehalten werden darf, sondern zunächst bloß die Art und Weise dieser Funktion selbst darstellt, als welche immer nur eine sehr untergeordnete Modifikation durch das von ihr völlig unabhängig Vorhandene, welches als Reiz sie in Bewegung setzt, erhalten kann. Wie demnach Locke Alles, was mittelst der Empfindung in die Wahrnehmung kommt, den Sinnesorganen vindicirte, um es den Dingen an sich abzusprechen; so hat Kant , in gleicher Absicht und auf dem selben Wege weitergehend, Alles was die eigentliche Anschauung möglich macht, nämlich Raum, Zeit und Kausalität, als Gehirnfunktion nachgewiesen; wenn gleich er dieses physiologischen Ausdrucks sich enthalten hat, zu welchem jedoch unsere jetzige, von der entgegengesetzten, realen Seite kommende Betrachtungsweise uns nothwendig hinführt. Kant kam, auf seinem analytischen Wege, zu dem Resultat, daß was wir erkennen bloße Erscheinungen seien. Was dieser räthselhafte Ausdruck eigentlich
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