Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Untaugliche, der Erkenntniß , aus der eigenen Gesetzmäßigkeit dieser selbst, auf: weshalb er seine Lehre sehr treffend Kritik der Vernunft nannte. Er führte dies theils dadurch aus, daß er den beträchtlichen und durchgängigen apriorischen Theil aller Erkenntniß nachwies, welcher, als durchaus subjektiv, alle Objektivität verkümmert; theils dadurch, daß er angeblich darthat, daß die Grundsätze der als rein objektiv genommenen Erkenntniß, wenn bis ans Ende verfolgt, auf Widersprüche leiteten. Nur aber hatte er voreilig angenommen, daß außer der objektiven Erkenntniß, d.h. außer der Welt als Vorstellung , uns nichts gegeben sei, als etwan noch das Gewissen, aus welchem er das Wenige, was noch von Metaphysik übrig blieb, konstruirte, nämlich die Moraltheologie, welcher er jedoch auch schlechterdings nur praktische, durchaus nicht theoretische Gültigkeit zugestand. – Er hatte übersehn, daß, wenn gleich allerdings die objektive Erkenntniß, oder die Welt als Vorstellung, nichts, als Erscheinungen, nebst deren phänomenalen Zusammenhang und Regressus liefert; dennoch unser selbsteigenes Wesen nothwendig auch der Welt der Dinge an sich angehört, indem es in dieser wurzeln muß: hieraus aber müssen, wenn auch die Wurzel nicht gerade zu Tage gezogen werden kann, doch einige Data zu erfassen seyn, zur Aufklärung des Zusammenhangs der Welt der Erscheinungen mit dem Wesen an sich der Dinge. Hier also liegt der Weg, auf welchem ich über Kant und die von ihm gezogene Gränze hinausgegangen bin, jedoch stets auf dem Boden der Reflexion, mithin der Redlichkeit, mich haltend, daher ohne das windbeutelnde Vorgeben intellektualer Anschauung, oder absoluten Denkens, welches die Periode der Pseudophilosophie zwischen Kant und mir charakterisirt. Kant gieng, bei seiner Nachweisung des Unzulänglichen der vernünftigen Erkenntniß zur Ergründung des Wesens der Welt, von der Erkenntniß, als einer Thatsache , die unser Bewußtseyn liefert, aus, verfuhr also, in diesem Sinne, a posteriori. Ich aber habe in diesem Kapitel, wie auch in der Schrift »Ueber den Willen in der Natur«, nachzuweisen gesucht, was die Erkenntniß ihrem Wesen und Ursprung nach sei, nämlich ein Sekundäres, zu individuellen Zwecken Bestimmtes: woraus folgt, daß sie zur Ergründung des Wesens der Welt unzulänglich seyn muß; bin also, insofern, zum selben Ziel a priori gelangt. Man erkennt aber nichts ganz und vollkommen, als bis man darum herumgekommen und nun von der andern Seite zum Ausgangspunkt zurückgelangt ist. Daher muß man, auch bei der hier in Betracht genommenen, wichtigen Grunderkenntniß, nicht bloß, wie Kant gethan, vom Intellekt zur Erkenntniß der Welt gehn, sondern auch, wie ich hier unternommen habe, von der als vorhanden genommenen Welt zum Intellekt. Dann wird diese, im weitem Sinn, physiologische Betrachtung die Ergänzung jener ideologischen, wie die Franzosen sagen, richtiger transscendentalen.
Im Obigen habe ich, um den Faden der Darstellung nicht zu unterbrechen, die Erörterung eines Punktes, den ich berührte, hinausgeschoben: es war dieser, daß in dem Maaße als, in der aufsteigenden Thierreihe, der Intellekt sich immer mehr entwickelt und vollkommener auftritt, das Erkennen sich immer deutlicher vom Wollen sondert und dadurch reiner wird. Das Wesentliche hierüber findet man in meiner Schrift »Ueber den Willen in der Natur«, unter der Rubrik »Pflanzenphysiologie« (S. 68-72 der zweiten Auflage), wohin ich, um mich nicht zu wiederholen, verweise und hier bloß einige Bemerkungen daran knüpfe. Indem die Pflanze weder Irritabilität noch Sensibilität besitzt, sondern in ihr der Wille sich allein als Plasticität oder Reproduktionskraft objektivirt; so hat sie weder Muskel noch Nerv. Auf der niedrigsten Stufe des Thierreichs, in den Zoophyten, namentlich den Polypen, können wir die Sonderung dieser beiden Bestandtheile noch nicht deutlich erkennen, setzen jedoch ihr Vorhandenseyn, wenn gleich in einem Zustande der Verschmelzung, voraus; weil wir Bewegungen wahrnehmen, die nicht, gleich denen der Pflanze, auf bloße Reize, sondern auf Motive, d.h. in Folge einer gewissen Wahrnehmung, vor sich gehn; daher eben wir diese Wesen als Thiere ansprechen. In dem Maaße nun, als, in der aufsteigenden Thierreihe, das Nerven- und das Muskelsystem sich immer deutlicher von einander sondern , bis das erstere, in den Wirbelthieren und am vollkommensten im Menschen, sich in ein organisches und ein cerebrales
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