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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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beim Menschen ein: bei ihm allein findet eine reine Sonderung des Erkennens vom Wollen Statt. Dies ist ein wichtiger Punkt, den ich hier bloß berühre, um seine Stelle zu bezeichnen und weiter unten ihn wieder aufnehmen zu können. – Aber auch diesen letzten Schritt in der Ausdehnung und Vervollkommnung des Gehirns, und damit in der Erhöhung der Erkenntnißkräfte, thut die Natur, wie alle übrigen, bloß in Folge der erhöhten Bedürfnisse , also zum Dienste des Willens . Was dieser im Menschen bezweckt und erreicht, ist zwar im Wesentlichen das Selbe und nicht mehr, als was auch im Thiere sein Ziel ist: Ernährung und Fortpflanzung. Aber durch die Organisation des Menschen wurden die Erfordernisse zur Erreichung jenes Ziels so sehr vermehrt, gesteigert und specificirt, daß, zur Erreichung des Zwecks, eine ungleich beträchtlichere Erhöhung des Intellekts, als die bisherigen Stufen darboten, nothwendig, oder wenigstens das leichteste Mittel war. Da nun aber der Intellekt, seinem Wesen zufolge, ein Werkzeug von höchst vielseitigem Gebrauch und auf die verschiedenartigsten Zwecke gleich anwendbar ist; so konnte die Natur, ihrem Geist der Sparsamkeit getreu, alle Forderungen der so mannigfach gewordenen Bedürfnisse nunmehr ganz allein durch ihn decken: daher stellte sie den Menschen, ohne Bekleidung, ohne natürliche Schutzwehr, oder Angriffswaffe, ja mit verhältnißmäßig geringer Muskelkraft, bei großer Gebrechlichkeit und geringer Ausdauer gegen widrige Einflüsse und Mangel, hin, im Verlaß auf jenes eine große Werkzeug, zu welchem sie nur noch die Hände, von der nächsten Stufe unter ihm, dem Affen, beizubehalten hatte. Durch den also hier auftretenden überwiegenden Intellekt ist aber nicht nur die Auffassung der Motive, die Mannigfaltigkeit derselben und überhaupt der Horizont der Zwecke unendlich vermehrt, sondern auch die Deutlichkeit, mit welcher der Wille sich seiner selbst bewußt wird, aufs höchste gesteigert, in Folge der eingetretenen Klarheit des ganzen Bewußtseins, welche, durch die Fähigkeit des abstrakten Erkennens unterstützt, jetzt bis zur vollkommenen Besonnenheit geht. Dadurch aber, wie auch durch die als Träger eines so erhöhten Intellekts nothwendig vorausgesetzte Vehemenz des Willens, ist eine Erhöhung aller Affekte eingetreten, ja die Möglichkeit der Leidenschaften , welche das Thier eigentlich nicht kennt. Denn die Heftigkeit des Willens hält mit der Erhöhung der Intelligenz gleichen Schritt; eben weil diese eigentlich immer aus den gesteigerten Bedürfnissen und dringendem Forderungen des Willens entspringt: zudem aber unterstützen Beide sich wechselseitig. Die Heftigkeit des Charakters nämlich hängt zusammen mit größerer Energie des Herzschlags und Blutumlaufs, welche physisch die Thätigkeit des Gehirns erhöht. Andererseits wieder erhöht die Klarheit der Intelligenz, mittelst der lebhafteren Auffassung der äußeren Umstände, die durch diese hervorgerufenen Affekte. Daher z.B. lassen junge Kälber sich ruhig auf einen Wagen packen und fortschleppen: junge Löwen aber, wenn nur von der Mutter getrennt, bleiben fortwährend unruhig und brüllen unablässig, vom Morgen bis zum Abend; Kinder, in einer solchen Lage, würden sich fast zu Tode schreien und quälen. Die Lebhaftigkeit und Heftigkeit des Affen steht mit seiner schon sehr entwickelten Intelligenz in genauer Verbindung. Auf eben diesem Wechselverhältniß beruht es, daß der Mensch überhaupt viel größerer Leiden fähig ist, als das Thier; aber auch größerer Freudigkeit, in den befriedigten und frohen Affekten. Eben so macht der erhöhte Intellekt ihm die Langeweile fühlbarer, als dem Thier, wird aber auch, wenn er individuell sehr vollkommen ist, zu einer unerschöpflichen Quelle der Kurzweil. Im Ganzen also verhält sich die Erscheinung des Willens im Menschen zu der im Thier der obern Geschlechter wie ein angeschlagener Ton zu seiner zwei bis drei Oktaven tiefer gegriffenen Quinte. Aber auch zwischen den verschiedenen Thierarten sind die Unterschiede des Intellekts und dadurch des Bewußtseyns groß und endlos abgestuft. Das bloße Analogen von Bewußtsein, welches wir noch der Pflanze zuschreiben müssen, wird sich zu dem noch viel dumpferen subjektiven Wesen eines unorganischen Körpers ungefähr verhalten wie das Bewußtsein des untersten Thieres zu jenem quasi Bewußtseyn der Pflanze. Man kann sich die zahllosen Abstufungen im Grade des Bewußtseyns veranschaulichen unter dem Bilde der

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