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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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vorhergängig war, und er zuletzt eintrat, als ein Durchbruch ans Licht aus der dunkeln Tiefe des erkenntnißlosen Strebens, dessen Wesen sich in dem zugleich dadurch entstehenden Selbstbewußtseyn als Wille darstellt. Das der Erkenntniß als ihre Bedingung Vorhergängige, wodurch sie allererst möglich wurde, also ihre eigene Basis, kann nicht unmittelbar von ihr gefaßt werden; wie das Auge nicht sich selbst sehn kann. Vielmehr sind die auf der Oberfläche der Dinge sich darstellenden Verhältnisse zwischen Wesen und Wesen allein ihre Sache, und sind es nur mittelst des Apparats des Intellekts, nämlich seiner Formen, Raum, Zeit, Kausalität. Eben weil die Welt ohne Hülfe der Erkenntniß sich gemacht hat, geht ihr ganzes Wesen nicht in die Erkenntniß ein, sondern diese setzt das Daseyn der Welt schon voraus; weshalb der Ursprung desselben nicht in ihrem Bereiche liegt. Sie ist demnach beschränkt auf die Verhältnisse zwischen dem Vorhandenen, und damit für den individuellen Willen, zu dessen Dienst allein sie entstand, ausreichend. Denn der Intellekt ist, wie gezeigt worden, durch die Natur bedingt, liegt in ihr, gehört zu ihr, und kann daher nicht sich ihr als ein ganz Fremdes gegenüberstellen, um so ihr ganzes Wesen schlechthin objektiv und von Grund aus in sich aufzunehmen. Er kann, wenn das Glück gut ist, Alles in der Natur verstehn, aber nicht die Natur selbst, wenigstens nicht unmittelbar.
    So entmuthigend für die Metaphysik diese aus der Beschaffenheit und dem Ursprung des Intellekts hervorgehende wesentliche Beschränkung desselben auch seyn mag; so hat eben diese doch auch eine andere, sehr tröstliche Seite. Sie benimmt nämlich den unmittelbaren Aussagen der Natur ihre unbedingte Gültigkeit, in deren Behauptung der eigentliche Naturalismus besteht. Wenn daher auch die Natur uns jedes Lebende als aus dem Nichts hervorgehend und, nach einem ephemeren Daseyn, auf immer dahin zurückkehrend darstellt, und sie sich daran zu vergnügen scheint, unaufhörlich von Neuem hervorzubringen, um unaufhörlich zerstören zu können, hingegen nichts Bestehendes zu Tage zu fördern vermag; wenn wir demnach als das einzige Bleibende die Materie anerkennen müssen, welche, unentstanden und unvergänglich, Alles aus ihrem Schooße gebiert, weshalb ihr Name aus mater rerum entstanden scheint, und neben ihr, als den Vater der Dinge, die Form , welche, eben so flüchtig, wie jene beharrlich, eigentlich jeden Augenblick wechselt und sich nur erhalten kann, so lange sie sich der Materie parasitisch anklammert (bald diesem, bald jenem Theil derselben), aber wenn sie diesen Anhall ein Mal ganz verliert, untergeht, wie die Paläotherien und Ichthyosauren bezeugen; so müssen wir dies zwar als die unmittelbare und unverfälschte Aussage der Natur anerkennen; aber, wegen des oben auseinandergesetzten Ursprungs und daraus sich ergebender Beschaffenheit des Intellekts , können wir dieser Aussage keine unbedingte Wahrheit zugestehn, vielmehr nur eine durchweg bedingte , welche Kant treffend als eine solche bezeichnet hat, indem er sie die Erscheinung im Gegensatz des Dinges an sich nannte. –
    Wenn es, trotz dieser wesentlichen Beschränkung des Intellekts, möglich wird, auf einem Umwege, nämlich mittelst der weit verfolgten Reflexion und durch künstliche Verknüpfung der nach außen gerichteten, objektiven Erkenntniß mit den Datis des Selbstbewußtseyns, zu einem gewissen Verständniß der Welt und des Wesens der Dinge zu gelangen; so wird dieses doch nur ein sehr limitirtes, ganz mittelbares und relatives, nämlich eine parabolische Uebersetzung in die Formen der Erkenntniß, also ein quadam prodire tenus seyn, welches stets noch viele Probleme ungelöst übrig lassen muß. – Hingegen war der Grundfehler des alten, durch Kant zerstörten Dogmatismus , in allen seinen Formen, dieser, daß er schlechthin von der Erkenntniß , d.i. der Welt als Vorstellung, ausgieng, um aus deren Gesetzen das Seiende überhaupt abzuleiten und aufzubauen, wobei er jene Welt der Vorstellung, nebst ihren Gesetzen, als etwas schlechthin Vorhandenes und absolut Reales nahm; während das ganze Daseyn derselben von Grund aus relativ und ein bloßes Resultat oder Phänomen des ihr zum Grunde liegenden Wesens an sich ist, – oder, mit andern Worten, daß er eine Ontologie konstruirte, wo er bloß zu einer Dianoiologie Stoff hatte. Kant deckte das subjektiv Bedingte und deshalb schlechterdings Immanente, d.h. zum transscendenten Gebrauch

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