Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
sais pas ce que c'est que la vie éternelle, mais celle-ci est une mauvaise plaisanterie . Ueberdies muß ja das Leben jedenfalls bald enden; so daß die wenigen Jahre, die man vielleicht noch dazuseyn hat, gänzlich verschwinden vor der endlosen Zeit, da man nicht mehr seyn wird. Demnach erscheint es, vor der Reflexion, sogar lächerlich, um diese Spanne Zeit so sehr besorgt zu seyn, so sehr zu zittern, wenn eigenes oder fremdes Leben in Gefahr geräth, und Trauerspiele zu dichten, deren Schreckliches seinen Nerven bloß in der Todesfurcht hat. Jene mächtige Anhänglichkeit an das Leben ist mithin eine unvernünftige und blinde: sie ist nur daraus erklärlich, daß unser ganzes Wesen an sich selbst schon Wille zum Leben ist, dem dieses daher als das höchste Gut gelten muß, so verbittert, kurz und ungewiß es auch immer seyn mag; und daß jener Wille, an sich und ursprünglich, erkenntnißlos und blind ist. Die Erkenntniß hingegen, weit entfernt der Ursprung jener Anhänglichkeit an das Leben zu seyn, wirkt ihr sogar entgegen, indem sie die Werthlosigkeit desselben aufdeckt und hiedurch die Todesfurcht bekämpft. – Wann sie nun siegt, und demnach der Mensch dem Tode muthig und gelassen entgegengeht; so wird dies als groß und edel geehrt: wir feiern also dann den Triumph der Erkenntniß über den blinden Willen zum Leben, der doch der Kern unsers eigenen Wesens ist. Imgleichen verachten wir Den, in welchem die Erkenntniß in jenem Kampfe unterliegt, der daher dem Leben unbedingt anhängt, gegen den herannahenden Tod sich aufs Aeußerste sträubt und ihn verzweifelnd empfängt: 54 und doch spricht sich in ihm nur das ursprüngliche Wesen unsers Selbst und der Natur aus. Wie könnte, läßt sich hier beiläufig fragen, die gränzenlose Liebe zum Leben und das Bestreben, es auf alle Weise, so lange als möglich, zu erhalten, niedrig, verächtlich, desgleichen von den Anhängern jeder Religion als dieser unwürdig betrachtet werden, wenn dasselbe das mit Dank zu erkennende Geschenk gütiger Götter wäre? Und wie könnte sodann die Geringschätzung desselben groß und edel erscheinen? – Uns bestätigt sich inzwischen durch diese Betrachtungen: 1) daß der Wille zum Leben das Innerste Wesen des Menschen ist; 2) daß er an sich erkenntnißlos, blind ist; 3) daß die Erkenntniß ein ihm ursprünglich fremdes, hinzugekommenes Princip ist; 4) daß sie mit ihm streitet und unser Urtheil dem Siege der Erkenntniß über den Willen Beifall giebt.
Wenn was uns den Tod so schrecklich erscheinen läßt der Gedanke des Nichtseyns wäre; so müßten wir mit gleichem Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist unumstößlich gewiß, daß das Nichtseyn nach dem Tode nicht verschieden seyn kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht beklagenswerther. Eine ganze Unendlichkeit ist abgelaufen, als wir noch nicht waren; aber das betrübt uns keineswegs. Hingegen, daß nach dem momentanen Intermezzo eines ephemeren Daseyns eine zweite Unendlichkeit folgen sollte, in der wir nicht mehr seyn werden, finden wir hart, ja unerträglich. Sollte nun dieser Durst nach Daseyn etwan dadurch entstanden seyn, daß wir es jetzt gekostet und so gar allerliebst gefunden hätten? Wie schon oben kurz erörtert: gewiß nicht; viel eher hätte die gemachte Erfahrung eine unendliche Sehnsucht nach dem verlorenen Paradiese des Nichtseins erwecken können. Auch wird der Hoffnung der Seelen-Unsterblichkeit allemal die einer »bessern Welt« angehängt, – ein Zeichen, daß die gegenwärtige nicht viel taugt. – Dieses allen ungeachtet ist die Frage nach unserm Zustande nach dem Tode gewiß zehntausend Mal öfter, in Büchern und mündlich, erörtert worden, als die nach unserm Zustande vor der Geburt. Theoretisch ist dennoch die eine ein eben so nahe liegendes und berechtigtes Problem, wie die andere: auch würde wer die eine beantwortet hätte mit der andern wohl gleichfalls im Klaren seyn. Schöne Deklamationen haben wir darüber, wie anstößig es wäre, zu denken, daß der Geist des Menschen, der die Welt umfaßt und so viele höchst vortreffliche Gedanken hat, mit ins Grab gesenkt würde; aber darüber, daß dieser Geist eine ganze Unendlichkeit habe verstreichen lassen, ehe er mit diesen seinen Eigenschaften entstanden sei, und die Welt eben so lange sich ohne ihn habe behelfen müssen, hört man nichts. Dennoch bietet der vom Willen unbestochenen Erkenntniß keine Frage sich natürlicher dar, als diese: eine unendliche
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