Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
gehörig excitirt gewesen wäre; – ein Erforderniß, welches ich oben, Kapitel 31, erörtert habe. Nichtsdestoweniger hätte ihr höchst vollkommenes Nerven- und Cerebralsystem sich auf den Sohn vererbt, bei welchem nun aber ein lebhafter und leidenschaftlicher Vater, von energischem Herzschlag, hinzugekommen wäre, wodurch dann erst hier die andere somatische Bedingung großer Geisteskraft eingetreten sei. Vielleicht ist dies Byron's Fall gewesen; da wir die geistigen Vorzüge seiner Mutter nirgends erwähnt finden. – Die selbe Erklärung ist auch auf den Fall anzuwenden, daß die durch Geistesgaben ausgezeichnete Mutter eines genialen Sohnes selbst keine geistreiche Mutter gehabt hätte; indem der Vater dieser ein Phlegmatikus gewesen.
Das Disharmonische, Ungleiche, Schwankende im Charakter der meisten Menschen möchte vielleicht daraus abzuleiten seyn, daß das Individuum keinen einfachen Ursprung hat, sondern den Willen vom Vater, den Intellekt von der Mutter überkommt. Je heterogener, unangemessener zu einander beide Eltern waren, desto größer wird jene Disharmonie, jener innere Zwiespalt seyn. Während Einige durch ihr Herz, Andere durch ihren Kopf excelliren, giebt es noch Andere, deren Vorzug bloß in einer gewissen Harmonie und Einheit des ganzen Wesens liegt, welche daraus entsteht, daß bei ihnen Herz und Kopf einander so überaus angemessen sind, daß sie sich wechselseitig unterstützen und hervorheben; welches vermuthen läßt, daß ihre Eltern eine besondere Angemessenheit und Uebereinstimmung zu einander hatten.
Das Physiologische der dargelegten Theorie betreffend, will ich nur anführen, daß Burdach , welcher irrig annimmt, die selbe psychische Eigenschaft könne bald vom Vater, bald von der Mutter vererbt werden, dennoch (Physiologie als Erfahrungswissenschaft, Bd. I, § 306) hinzusetzt: »Im Ganzen genommen, hat das Männliche mehr Einfluß auf Bestimmung des irritabeln Lebens, das Weibliche hingegen mehr auf die Sensibilität.« – Auch gehört hieher was Linné sagt, im Systema naturae Tom. I, p. 8: Mater prolifera promit, ante generationem, vivum compendium medullare novi animalis, suique simillimi, carinam Malpighianam dictum, tanquam plumulam vegetabilium: hoc ex genitura Cor adsociat ramificandum in corpus. Punctum enim saliens ovi incubantis avis ostendit primum cor micans, cerebrumque cum medulla: corculum hoc, cessans a frigore, excitatur calido halitu, premitque bulla aërea, sensim dilatata, liquores, secundum canales fluxiles. Punctum vitalitatis itaque in viventibus est tanquam a prima creatione continuata medullaris vitae ramificatio, cum ovum sit gemma medullaris matris a primordio viva, licet, non sua ante proprium cor paternum .
Wenn wir nun die hier gewonnene Ueberzeugung von der Erblichkeit des Charakters vom Vater und des Intellekts von der Mutter in Verbindung setzen mit unserer frühem Betrachtung des weiten Abstandes, den die Natur, in moralischer, wie in intellektueller Hinsicht, zwischen Mensch und Mensch gesetzt hat, wie auch mit unserer Erkenntniß der völligen Unveränderlichkeit sowohl des Charakters, als der Geistesfähigkeiten; so werden wir zu der Ansicht hingeleitet, daß eine wirkliche und gründliche Veredelung des Menschengeschlechts, nicht sowohl von außen als von innen, also nicht sowohl durch Lehre und Bildung, als vielmehr auf dem Wege der Generation zu erlangen seyn möchte. Schon Plato hat so etwas im Sinne gehabt, als er, im fünften Buche seiner Republik, den wunderlichen Plan zur Vermehrung und Veredelung seiner Kriegerkaste darlegte. Könnte man alle Schurken kastriren und alle dummen Gänse ins Kloster stecken, den Leuten von edelem Charakter ein ganzes Harem beigeben, und allen Mädchen von Geist und Verstand Männer, und zwar ganze Männer, verschaffen; so würde bald eine Generation erstehn, die ein mehr als Perikleisches Zeitalter darstellte, – Ohne jedoch auf solche Utopische Pläne einzugehn, ließe sich in Erwägung nehmen, daß wenn, wie es, irre ich mich nicht, bei einigen alten Völkern wirklich gewesen ist, nach der Todesstrafe die Kastration als die schwerste Strafe bestände, ganze Stammbäume von Schurken der Welt erlassen seyn würden; um so gewisser, als bekanntlich die meisten Verbrechen schon in dem Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren begangen werden A10 . Imgleichen ließe sich überlegen, ob es nicht, in Betracht der Folgen, ersprießlicher seyn würde, die bei gewissen Gelegenheiten auszutheilenden
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