Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
angebaut waren, daß sie kaum leserlich schreiben gelernt hatte. Bürger meinte, seine Mutter würde, bei gehöriger Kultur, die Berühmteste ihres Geschlechts geworden seyn; ob er gleich mehrmals eine starke Mißbilligung verschiedener Züge ihres moralischen Charakters äußerte. Indessen glaubte er, von seiner Mutter einige Anlagen des Geistes, von seinem Vater aber eine Uebereinstimmung mit dessen moralischem Charakter geerbt zu haben.« – Walter Scotts Mutter war eine Dichterin und stand mit den schönen Geistern ihrer Zeit in Verbindung, wie uns der Nekrolog W. Scotts im Englischen Globe , vom 24. Sept. 1832, berichtet. Daß Gedichte von ihr 1789 im Druck erschienen sind, finde ich in einem »Mutterwitz« überschriebenen Aufsatz, in den von Brockhaus herausgegebenen »Blättern für litterarische Unterhaltung«, vom 4. Okt. 1841, welcher eine lange Liste geistreicher Mütter berühmter Männer liefert, aus der ich nur zwei entnehmen will: » Bako's Mutter war eine ausgezeichnete Sprachkennerin, schrieb und übersetzte mehrere Werke und bewies in jedem Gelehrsamkeit, Scharfsinn und Geschmack. – Boerhave's Mutter zeichnete sich durch medicinische Kenntnisse aus.« – Andererseits hat uns für die Erblichkeit der Geistesschwäche von den Müttern einen starken Beleg Haller aufbewahrt, indem er anführt: E duabus patriciis sororibus, ob divitias maritos nactis, quum tamen fatuis essent proximae, novimus in nobilissimas gentes nunc a seculo retro ejus morbi manasse seminia, ut etiam in quarta generatione, quintave, omnium posterorum aliqui fatui supersint. (Elementa physiol., lib. XXIX , § 8.) – Auch nach Esquirol vererbt der Wahnsinn sich häufiger von der Mutter, als vom Vater. Wenn er jedoch von diesem sich vererbt, schreibe ich es den Gemüthsanlagen zu, deren Wirkung ihn veranlaßt.
Aus unserm Grundsatz scheint zu folgen, daß Söhne der selben Mutter gleiche Geisteskräfte haben und, wenn Einer hochbegabt wäre, auch der andere es seyn müßte. Mitunter ist es so: Beispiele sind die Carracci , Joseph und Michael Haydn , Bernhard und Andreas Romberg , Georg und Friedrich Cuvier : ich würde auch hinzusetzen, die Gebrüder Schlegel ; wenn nicht der jüngere, Friedrich, durch den in seinem letzten Lebensviertel, im Verein mit Adam Müller getriebenen, schimpflichen Obskurantismus, sich der Ehre, neben seinem vortrefflichen, untadelhaften und so höchst ausgezeichneten Bruder, August Wilhelm, genannt zu werden, unwürdig gemacht hätte. Denn Obskurantismus ist eine Sünde, vielleicht nicht gegen den heiligen, doch gegen den menschlichen Geist, die man daher nie verzeihen, sondern Dem, der sich ihrer schuldig gemacht, Dies, unversöhnlich, stets und überall nachtragen und bei jeder Gelegenheit ihm Verachtung bezeugen soll, so lange er lebt, ja, noch nach dem Tode. – Aber eben so oft trifft die obige Folgerung nicht zu; wie denn z.B. Kants Bruder ein ganz gewöhnlicher Mann war. Um dies zu erklären, erinnere ich an das im 31. Kapitel über die physiologischen Bedingungen des Genies Gesagte. Nicht nur ein außerordentlich entwickeltes, durchaus zweckmäßig gebildetes Gehirn (der Antheil der Mutter) ist erfordert, sondern auch ein sehr energischer Herzschlag, es zu animiren, d.h. subjektiv ein leidenschaftlicher Wille, ein lebhaftes Temperament: dies ist das Erbtheil vom Vater. Allein eben Dieses steht nur in dessen kräftigsten Jahren auf seiner Höhe, und noch schneller altert die Mutter. Demgemäß werden die hochbegabten Söhne, in der Regel, die ältesten, bei voller Kraft beider Eltern gezeugten seyn: so war auch Kants Bruder elf Jahre jünger als er. Sogar von zwei ausgezeichneten Brüdern wird, in der Regel, der ältere der vorzüglichere seyn. Aber nicht nur das Alter, sondern jede vorübergehende Ebbe der Lebenskraft, oder sonstige Gesundheitsstörung, in den Eltern, zur Zeit der Zeugung, vermag den Antheil des Einen oder des Andern zu verkümmern und die eben daher so überaus seltene Erscheinung eines eminenten Talents zu hintertreiben. – Beiläufig gesagt, ist das Wegfallen aller soeben berührten Unterschiede bei Zwillingen die Ursache der Quasi-Identität ihres Wesens.
Wenn einzelne Fälle sich finden sollten, wo ein hochbegabter Sohn keine geistig ausgezeichnete Mutter gehabt hätte; so ließe Dies sich daraus erklären, daß diese Mutter selbst einen phlegmatischen Vater gehabt hätte, weshalb ihr ungewöhnlich entwickeltes Gehirn nicht durch die entsprechende Energie des Blutumlaufs
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