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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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beschränkte Kenntniß von der Möglichkeit, weshalb er die Nothwendigkeit der zu machenden Induktion nicht weiß. Der Irrthum ist also dem Schein ganz analog. Beide sind Schlüsse von der Folge auf den Grund: der Schein stets nach dem Gesetze der Kausalität und vom bloßen Verstande, also unmittelbar in der Anschauung selbst, vollzogen; der Irrthum, nach allen Formen des Satzes vom Grunde, von der Vernunft, also im eigentlichen Denken, vollzogen, am häufigsten jedoch ebenfalls nach dem Gesetze der Kausalität, wie folgende drei Beispiele belegen, die man als Typen oder Repräsentanten dreier Arten von Irrthümern ansehn mag. 1) Der Sinnenschein (Trug des Verstandes) veranlaßt Irrthum (Trug der Vernunft), z.B. wenn man eine Malerei für ein Haut-Relief ansieht und wirklich dafür hält; es geschieht durch einen Schluß aus folgendem Obersatz: »Wenn Dunkelgrau stellenweise durch alle Nuancen in Weiß übergeht; so ist allemal die Ursache das Licht, welches Erhabenheiten und Vertiefungen ungleich trifft: ergo –.« 2) »Wenn Geld in meiner Kasse fehlt; so ist die Ursache allemal , daß mein Bedienter einen Nachschlüssel hat: ergo-.« 3) »Wenn das durch das Prisma gebrochene, d.i. herauf oder herab gerückte Sonnenbild, statt vorher rund und weiß, jetzt länglich und gefärbt erscheint; so ist die Ursache ein Mal und allemal, daß im Licht verschiedengefärbte und zugleich verschieden-brechbare homogene Lichtstrahlen gesteckt haben, die, durch ihre verschiedene Brechbarkeit auseinandergerückt, jetzt ein längliches und zugleich verschiedenfarbiges Bild zeigen: ergo – bibamus !« – Auf einen solchen Schluß aus einem, oft nur fälschlich generalisirten, hypothetischen, aus der Annahme eines Grundes zur Folge entsprungenen Obersatz muß jeder Irrthum zurückzuführen seyn; nur nicht etwan Rechnungsfehler, welche eben nicht eigentlich Irrthümer sind, sondern bloße Fehler: die Operation, welche die Begriffe der Zahlen angaben, ist nicht in der reinen Anschauung, dem Zählen, vollzogen worden; sondern eine andere statt ihrer.
    Was den Inhalt der Wissenschaften überhaupt betrifft, so ist dieser eigentlich immer das Verhältniß der Erscheinungen der Welt zu einander, gemäß dem Satz vom Grunde und am Leitfaden des durch ihn allein geltenden und bedeutenden Warum. Die Nachweisung jenes Verhältnisses heißt Erklärung . Diese kann also nie weiter gehn, als daß sie zwei Vorstellungen zu einander in dem Verhältnisse der in der Klasse, zu der sie gehören, herrschenden Gestaltung des Satzes vom Grunde zeigt. Ist sie dahin gelangt, so kann gar nicht weiter Warum gefragt werden: denn das nachgewiesene Verhältniß ist dasjenige, welches schlechterdings nicht anders vorgestellt werden kann, d.h. es ist die Form aller Erkenntniß. Daher fragt man nicht warum 2+2=4 ist; oder warum Gleichheit der Winkel im Dreieck, Gleichheit der Seiten bestimmt; oder warum auf irgend eine gegebene Ursache ihre Wirkung folgt; oder warum aus der Wahrheit der Prämissen, die der Konklusion einleuchtet. Jede Erklärung, die auf ein solches Verhältniß, davon weiter kein Warum gefordert werden kann, zurückführt, bleibt bei einer angenommenen qualitas occulta stehn: dieser Art ist aber auch jede ursprüngliche Naturkraft. Bei einer solchen muß jede naturwissenschaftliche Erklärung zuletzt stehn bleiben, also bei einem völlig Dunkelen: sie muß daher das innere Wesen eines Steines eben so unerklärt lassen, wie das eines Menschen; kann so wenig von der Schwere, Kohäsion, chemischen Eigenschaften u.s.w., die Jener äußert, als vom Erkennen und Handeln Dieses Rechenschaft geben. So z.B. ist die Schwere eine qualitas occulta: denn sie läßt sich wegdenken, geht also nicht aus der Form des Erkennens als ein Nothwendiges hervor: dies hingegen ist der Fall mit dem Gesetze der Trägheit, als welches aus dem der Kausalität folgt; daher eine Zurückführung auf dasselbe eine vollkommen genügende Erklärung ist. Zwei Dinge nämlich sind schlechthin unerklärlich, d.h. nicht auf das Verhältniß, welches der Satz vom Grunde ausspricht, zurückzuführen: erstlich, der Satz vom Grunde selbst, in allen seinen vier Gestalten, weil er das Princip aller Erklärung ist, dasjenige, in Beziehung worauf sie allein Bedeutung hat; und zweitens. Das, was nicht von ihm erreicht wird, woraus aber eben das Ursprüngliche in allen Erscheinungen hervorgeht: es ist das Ding an sich, dessen Erkenntniß gar nicht die dem Satz vom Grunde unterworfene ist.

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