Die Welt aus den Fugen
Amerikaner haben Saigon dann in einen einzigen Puff verwandelt.
Sie haben im Dschungel gekämpft, dann kehrten Sie ins zivile Leben zurück. Ging das ohne Probleme ?
Nach meiner Rückkehr habe ich zunächst mein Studium aufgenommen, Politikwissenschaft an der »Science Po« in Paris. Als das Geld knapp wurde, probierte ich das Schreiben aus: Ich drang über die grüne Grenze in die sowjetische Besatzungszone ein, die spätere DDR â und schrieb auf französisch einen Artikel, der auf der ersten Seite von »Le Monde« erschien. Für mich ist der Journalismus immer bloà Mittel zum Zweck gewesen.
Zu welchem?
Damit bekam ich das Geld zusammen, das ich brauchte, um auf Reisen zu gehen. Meinen Durchbruch hatte ich im Hörfunk, als ich 1960 während der Kongo-Krise nach Afrika kam. Das waren herrliche Jahre als Hörfunkkorrespondent, mit meinem alten Maihak-Tonbandgerät. Das muÃte man noch von Hand ankurbeln.
Sie haben einmal gesagt, mit ein biÃchen Pech wären Sie bis zur Pensionierung Redakteur bei der »Saarbrücker Zeitung« geblieben, wo Sie volontierten.
Ja, das wäre nicht gutgegangen. Man kann im Saarland durchaus leben, aber ich hätte Depressionen bekommen.
Im Lauf Ihrer Karriere haben Sie eine Reihe von Diktatoren kennengelernt. Was fasziniert Sie so an Gewaltherrschern?
Ich habe mich nie an die groÃen Gestalten herangeschmissen, und von Interviews halte ich nichts. Wenn ich Osama Bin Laden träfe, brauchte ich den nicht zu fragen: »Was haben Sie vor?« Weià ich doch alles: Er will ein Kalifat gründen, er will einen reinen Islam, er will die Regime stürzen, die mit Amerikanern zusammenarbeiten. Was mich interessiert, ist der Mann selbst.
Die Deutschen versuchen seit Hegel, dem Gang der Geschichte einen Sinn zu verleihen. Bei Ihnen klingt das alles eher hoffnungslos.
Fatalismus ist nicht falsch. Mit dem Terrorismus zum Beispiel kann man leben. Immerhin gab es in Amerika nach dem 11. September kein einziges Attentat. Die Engländer haben über Jahrzehnte mit ihrer IRA gelebt, die Spanier mit ihrer ETA. Die wirkliche Gefahr liegt in der Demographie. Vor fünfzig Jahren machte die europäische Bevölkerung noch zwanzig Prozent der Weltbevölkerung aus, heute sind es vier. Bei uns vermehrt sich im wesentlichen die zugewanderte Bevölkerung. Das ist heute die Bürde des »WeiÃen Mannes«.
Klingt wie bei Spengler, wo die Politik den langen Rhythmen der Naturgeschichte gehorcht .
Der Mensch ist das schlimmste Raubtier, das die Evolution hervorgebracht hat, im Darwin-Jahr wird man daran wohl erinnern dürfen. Es gibt kein Biest auf der Erde, das es mit uns aufnehmen kann.
Sie wurden von Jesuiten erzogen. Fühlen Sie sich unwohl in der gottfernen Moderne?
Mein Glaube ist ein Akt des Willens. Wo es keine GewiÃheit gibt, muà man sich eine schaffen. Soll ich mich etwa buddhistischen Spinnereien hingeben oder einen Diener vor dem Dalai Lama machen? Oder als Hindu im Darm eines Hundes wiedergeboren werden? Ich bin ein Mensch des Abendlandes.
Gehen Sie noch zur Beichte?
Normalerweise nicht. Die Katholiken haben fast alle Traditionen abgeschafft und die Sakramente vermasselt. Ich bin tief enttäuscht über die Eindeutschung der Messe. Meine letzte Kommunion habe ich letztes Jahr zu Ostern an einem indonesischen Jesuitenkolleg in Jogjakarta empfangen.
Aber Sie lesen noch Latein, oder?
Nur kirchliche Texte. Ich bete auch auf Latein. Und manchmal falle ich meiner Frau auf die Nerven, wenn ich Vergil zitiere.
In Frankreich haben Sie den Urknall des modernen Hedonismus miterlebt, den Mai 1968. Sie standen als Gaullist auf der Gegenseite.
Das war ein phantastisches Fest. In Deutschland waren alle so verbissen: Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh! In Frankreich war das viel lyrischer, eine romantische Angelegenheit. Im Innenhof der Sorbonne sang man die Lieder der Französischen Revolution, nicht die Internationale. Es gab auch keine politischen Morde.
Sie reisen immer noch viel. Sind Sie im Alter empfindlicher geworden, was schlechte Hotelstandards angeht?
Heute kann ich es mir erlauben, auf Langstrecken erster Klasse zu fliegen. Und natürlich steige ich im besten Hotel ab. Aber wenn ich mal im Dreck liegen muÃ, dann macht mir das nichts aus. Als ich zuletzt in Afghanistan war, in Wardak südlich von Kabul, gab es nur ein einziges Bett für mich und meinen Chauffeur. Tagsüber schlief er
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