Die Welt der Drachen
kann?«
Er streckte sich und riss die orangenrote Frucht ab.
»Fühlt sich saftig an und hat ein frisches Aroma«, verkündete er. Mit geschickten Fingern löste er die Schale und reichte Lessa die Hälfte des goldgelben Fruchtfleisches.
»Auf dass wir gemeinsam in den Tod gehen - falls das Ding wider Erwarten doch giftig sein sollte!« meinte er grinsend.
Lessa biss herzhaft in die Frucht. Das Fleisch war süß und zart besser als alles, was sie bisher im Weyr gegessen hatte.
F'nor erhob sich und holte noch ein paar Früchte aus den Ranken. »Zumindest ist uns ein glücklicher Tod beschert!« rief er Lessa zu.
Als sie gegessen hatten, meinte er nachdenklich: »Ich glaube, uns fehlen nur die Klippen und Höhlen.
Wir sind es nicht mehr gewohnt, im Freien zu leben. Dazu kommt die völlige Stille. Sie vermittelt ein Gefühl der Einsamkeit.«
Lessa nickte. »Ramoth, Canth - würde es euch stören, außerhalb eines Weyrs zu leben?«
Wir waren nicht immer in Höhlen eingesperrt, erwiderte Ramoth hochmütig und wälzte sich im Wasser, dass hohe Wellen ans Ufer schlugen. Die Sonne scheint angenehm warm, und das Wasser erfrischt. Mir würde es hier gefallen, aber mich übergeht man ja wieder einmal.
Sie ist beleidigt«, flüsterte Lessa F'nor zu. Dann wandte sie sich besänftigend an die Drachenkönigin:
»Gönn Pridith auch etwas! Du hast den Weyr für dich allein.«
Ramoth tauchte unter und kam prustend wieder hoch. Sie würdigte Lessa keines Blickes.
Auch Canth bestätigte, dass er ohne den Weyr auskommen könne. Der Boden war sicher wärmer als Stein, sobald man sich eine bequeme Schlafmulde gebuddelt hatte. Und solange es genug zu fressen gab ...
»Wir werden ein paar Herdentiere hierher schaffen müssen«, sagte F'nor. »Das Plateau eignet sich gut als Weidegrund. Es besitzt keine Ausläufer und wird durch den See mit Süßwasser versorgt. Wenn man die Hütten hier am Ufer baut...«
»Vielleicht wäre es klug, Jungreiter auszuwählen, die von Gehöften und Handwerkerdörfern kommen«, warf Lessa ein.
»Sie werden sich rascher an die Weite und Einsamkeit gewöhnen als jemand, der auf einer Burg oder im Weyr aufgewachsen ist.«
Sie lachte verlegen.
»Ich muss gestehen, dass mich der freie Raum nervös macht.«
Sie versorgten sich noch einmal mit Früchten und traten dann den Rückweg an. Lessa stählte sich für den Augenblick im Dazwischen. Sie wusste nicht, weshalb der Sprung durch die Zeit sie stärker beunruhigte als der Sprung durch den Raum. Die Drachen schienen keinen Unterschied zu spuren.
Ramoth schickte ihr ein paar tröstende Gedanken zu. Das schwarze Nichts wurde abrupt von Sonnenlicht abgelöst. Sie schwebten über dem Weyr Zu ihrer Verblüffung entdeckte Lessa vor den Unteren Höhlen Bündel und Säcke, und Drachenreiter waren damit beschäftigt, ihre Tiere zu beladen.
»Was bedeutet das denn?« fragte Fnor.
»Oh, F'lar hat offensichtlich damit gerechnet, dass wir mit guten Nachrichten heimkehren würden«, entgegnete Lessa rasch.
Mnementh, der das Gewirr vom Landevorsprung aus beobachtete, begrüßte Ramoth und berichtete, dass F'lar die Heimkehrer sofort sprechen wolle.
F'lar saß wie immer über den stinkenden alten Aufzeichnungen, die er in den Beratungsraum geschafft hatte.
Er grinste breit, als er Lessa und F'nor sah.
»Nun?«
»Grün, üppig, wie geschaffen für unser Vorhaben, erklärte Lessa. Sie beobachtete F'lar genau. Er wusste inzwischen noch mehr. Sie hoffte nur, dass er in F'nors Gegenwart nichts Falsches sagte.
»Auf diese Auskunft hatte ich gehofft«, fuhr F'lar ruhig fort.
»Aber nun erzählt in allen Einzelheiten, was ihr entdeckt habt!«
Lessa überließ F'nor das Wort. Der Weyrführer hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu und machte sich gelegentlich Notizen.
Als F'nor mit seinem Bericht fertig war, sagte F'lar: »Selbst auf die Gefahr hin, dass es umsonst gewesen sein könnte, habe ich bereits die Reiter ausgewählt, die euch begleiten sollen.
Schließlich haben wir nur drei Tage Zeit, um euch in die Vergangenheit zu befördern. Ramoths Jungdrachen müssen kampfbereit sein, wenn die Fäden in Telgar fallen. Zum Glück stammen die Kandidaten, die wir vorsorglich für Pridiths Nachwuchs auf den Weyr geholt hatten, ohnehin fast nur von Bauern oder Handwerkern ab. Das ist also kein Problem. Die meisten der zweiunddreißig Burschen sind an die fünfzehn Jahre alt.«
»Zweiunddreißig!« rief F'nor. »Ich hatte mit fünfzig gerechnet. Man muss den
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