Die Welt der Kelten
herauswachsen: Männerköpfe, Masken, fantastische Tiere und fratzenhafte Dämonen.
Ihren deutlichsten Ausdruck hat die La Tène-Kunst im so genannten Waldalgesheim-Stil gefunden, der nach dem gleichnamigen
Fundort des Fürstinnengrabes bei Bingen benannt ist.Dessen Beigaben wie eine Röhrenkanne, die zahlreichen Schmuckringe und
das Pferdegeschirr belegen die künstlerische Perfektion der Kelten und die Vollendung ihrer Kunst. In ihren Darstellungen
fließen abstrakte Pflanzen- und Rankenornamente ineinander und bilden rhythmische, vielfach verschlungene Wellen und Spiralen.
Gleichsam damit verschmolzen, tauchen detailreich schemenhafte Gesichter, Tiere und seltsame Fabelwesen auf.
Die geheimnisvollen, den Ornamenten entsprießenden Wesen machen den eigentlichen Reichtum der keltischen Kunst aus. Dabei
vernachlässigte man absichtlich den menschlichen Körper und begnügte sich mit der besonderen Herausstellung des Kopfes, dessen
Bedeutung in der Kopfjagd der Krieger ihren deutlichstenAusdruck fand.Während erkennbare Tierdarstellungen von Pferden, Ebern
und Wasservögeln auf derenVerehrung hinweisen, geben zahlreiche Fabel- und Mischwesen Rätsel auf. Unter ihnen stößt man auf
Tiere mit Menschenköpfen und nicht bestimmbare Wesen, bei denen sich verschiedene Arten miteinander kreuzen: |30| Pferde und Eber mit Raubtieren, aber auchVögel mit Menschen. Später greift man auf Greifendarstellungen zurück und auf das
bemerkenswerte Motiv der Schlange mit dem Widderkopf.
Die keltische Kunst des europäischen Festlandes erstreckte und entwickelte sich über die Jahrhunderte in mannigfaltigen Formen.
Alte Motive verschwanden, neue tauchten auf, bis sie ihrerseits außer Gebrauch kamen. In vielen derartigen Beobachtungen glaubt
man die fremden Einflüsse feststellen zu können, denen die Kelten ausgesetzt waren und die ihre Künstler anscheinend mit Begeisterung
aufnahmen. Nicht zuletzt brachte die Zeit der großenWanderungen im 4. und 3. Jahrhundert vor Chr. eine Fülle von Vorbildern
und Anregungen. Aber bei allen Aufnahmen dieser Art bleibt doch das oben Gesagte zu betonen: Stets fanden die Kelten ihren
eigenen Stil, der sich überdeutlich von der klassischen antiken Kunst der Griechen und Römer unterschied. Eine naturalistische
Wiedergabe der Wirklichkeit hatte für sie augenscheinlich keine Bedeutung. Ihre figürlichen Darstellungen bevorzugten die
Reduzierung auf bestimmte Körperteile, besonders die Köpfe, und eine umfassende Abstraktion. Trotzdem beherrschten sie ihr
Handwerk auf unübertreffliche Weise und waren in der Lage, dem kleinsten Miniaturgesicht geradezu individuelle Züge zu verleihen.
Doch in ihrer Kunst waren sie eben nicht an der natürlichen Wirklichkeit interessiert. Bei aller Detailfreudigkeit und Perfektion
bleiben ihre fantastischen Verknüpfungen in ihrer Vieldeutigkeit dem modernen Betrachter rätselhaft. Man vermutet hinter ihnen
magischeVorstellungen und Mythen der Festlandkelten, die sie sich ohne Zweifel in reichem Maße erzählten und die Bestandteil
ihrer Weltordnung waren. Auch wenn die LaTène-Kunst mit vielen Zügen auf den Britischen Inseln weiter gepflegt und schließlich
sogar von den irischen Mönchen angewandt wurde, so wird ihre alte Bedeutung doch ungewiss bleiben – und den rätselhaften Zauber
der keltischen Kultur weiter mitbegründen.
|29| Der Fürst zählte bei seinem Tod etwa vierzig Jahre. Dieses für jene Zeit hohe Alter deutet mit seiner Größe von 1,87 Metern
und einem kräftigen Körperbau auf ein privilegiertes Leben, dem harte Arbeit oder Hunger erspart blieben. Dass ihm zudem Körperpflege
wichtig war, belegen die Grabbeigaben von Nagelschneider, Kamm und Rasiermesser. Er starb keines gewaltsamen Todes, und Krieg
und Kampf scheinen in seinem ganzen Leben keine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Der reiche Kelte streifte gern auf der
Jagd durch die Wälder, und er schätzte es, selbst fischen zu gehen. Daran erinnern die Angelhaken, die man ihm mit ins Grab
legte. Auf seinem Hohenasperger Sitz pflegte er die Geselligkeit und versammelte Angehörige des Adels zum Umtrunk.
Die Zeit vertrieb man sich überdies mit Kampfspielen und Schwerttänzen, wie Darstellungen auf dem Totenbett des Fürsten zeigen.
Schon zu Lebzeiten ruhte er auf dieser Bronzeliege, die das exklusivste |30| Möbel seines aus Holz und Flechtwerken erbauten Hofes gewesen sein dürfte.
Der Reichtum des Fürsten basierte auf der
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