Die Welt der Kelten
wie Englisch und Deutsch werden zwar von Abermillionen Menschen gesprochen,
doch eine spezifisch germanische Kultur ist nicht mehr zu erkennen, weswegen sich auch niemand wertfrei als Germane bezeichnet.
Anders eben die Kelten, die zwar mit einigem Recht als Verlierer der Geschichte bezeichnet werden können, aber als moralische
Sieger die Sympathien vieler Menschen genießen. Diese verbinden mit deren Namen nicht selten die Vorstellung einer idealen
Ursprünglichkeit und die Vision einer besseren Welt.
|24| Wir sind die Kelten!
Auf diese Weise entfernt man sich von der historischen Wirklichkeit der frühgeschichtlichen Kelten in der Mitte Europas. Aber
zu einem Buch dieses Themas gehört notwendigerweise die Rolle, die dieses Volk im modernen Europa spielt. Seit dem 19. Jahrhundert
bilden archäologische Ausgrabungen die Grundlage des modernen Keltenbildes – mit aller gebotenen wissenschaftlichen Sachlichkeit.
Dabei fiel schon bald auf, dass sich die den Kelten zugeschriebenen Objekte an weit voneinander entfernten Orten fanden und
diese Verteilung durchaus den Berichten der antiken Geschichtsschreiber entsprach. Demzufolge siedelten und kämpften die Kelten
in vielen Teilen Europas und ihre Kultur erstreckte sich über erstaunlich weite Gebiete, die oben bereits genannt wurden.
Im Zeitalter des zusammenwachsenden Europas kam dieser Beobachtung eine neue Bedeutung zu. Nun gelten die unzähligen Stämme,
vormals als barbarisch verschrien, als frühe Europäer und historische Vorreiter der kontinentalen Einigung. Ob in Frankreich
oder Österreich, in Deutschland oder Italien – große Ausstellungen feierten in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
die Kelten in dieser Rolle. Und vielerorts fiel auf, dass die vor 2 000 Jahren verschwundenen Festlandkelten offenkundig nicht
ausgerottet worden waren und ihre Nachkommen immer noch leben. Die Franzosen zählten die Gallier schon seit langem zu ihren
Vorfahren, während die germanisch geprägten Deutschen trotz aller Ausgrabungen im Südwesten und Süden Deutschlands weniger
mit den Kelten anfangen konnten. Doch durch zahlreiche spektakuläre Funde hat sich dies geändert, und die Entdeckungen am
Glauberg, unweit Frankfurts am Main, machen auch Hessen zu einem Land mit keltischer Vergangenheit.
Dort wie in anderen Regionen Deutschlands und in vielen Teilen Europas wächst so etwas wie ein keltisches Bewusstsein, das
lauten könnte: Wir sind die Kelten! Diese Bezeichnung enthält überwiegend positive Bedeutungen und schließt meistens – um
ein Beispiel zu nennen – die typische Kopfjagd aus. Heutzutage gelten die Kelten als Weise im Umgang mit der Natur, die in
der Vergangenheit eine Utopie für die Zukunft bieten. Damit wird die Welt der Kelten hochaktuell – ganz gleich, ob sie der
historischen Wirklichkeit entspricht oder eine Wunschvorstellung ist.
|25| 2. Fürsten, Krieger und Kelten allerorts – Eine Kultur erobert Europa
Die Salzherren aus den Alpen
Vor fast 3 000 Jahren suchten Menschen oberhalb des heutigen Ortes Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut einen Weg
in das Gestein der Alpen. Sie schlugen, gruben und schürften sich unter großen Mühen in den Fels, der ihnen reiche Beute versprach
– Steinsalz. Denn der vorgeschichtliche Mensch war stets auf der Suche nach diesem lebensnotwendigen Naturstoff, mit dem man
Speisen würzen und vor allem konservieren konnte. Deswegen war Salz ein begehrtes Handelsobjekt, das gute Geschäfte und Reichtum
versprach.
Darum legten die Männer aus dem Alpental über mehrere 100 Meter Salinen an, in denen sie das kostbare Gut herausschlugen und
hinausschleiften. Das salzhaltige Gestein hat ihre Werkzeuge und sogar sie selbst nicht verrotten und verwesen lassen. Nicht
nur die Überreste der in den engen Gängen ums Leben gekommenen Menschen blieben erhalten, auch ihre Kleidung, ihr hölzernes
Arbeitsgerät und die Kippen mit den Ledersäcken, in denen sie die Salzbrocken ans Tageslicht zogen. All diese Funde sind ein
bewegendes Zeugnis vom harten Arbeitsalltag der Salinenarbeiter.
Ihre Auftraggeber führten unten im Tal ein besseres Leben. Sie waren die eigentlichen Herren des Salzes, denn als mächtige
Häuptlinge kleiner Alpenstämme waren sie die Eigentümer der Salzminen. Mit Geschick hatten sie um 800 vor Chr. weit reichende
Handelsverbindungen geknüpft, die sich wegen der großen Nachfrage nach Salz als äußerst profitabel
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