Die Welt der Kelten
Archäologen
reiches Wissen gewinnen: Der Tote von Hochdorf war offensichtlich ein überaus wohlhabender Mann, ein keltischer Fürst, dessen
Herrschaftsgebiet sich von der Schwäbischen Alb bis zum Rand des Schwarzwaldes erstreckte. Seine Residenz lag wahrscheinlich
auf dem 10 Kilometer entfernten Hohenasperg, der sich 100 Meter über das Umland erhebt. Von dort konnte der Herrscher sein
Reich überblicken. Weite Wälder umgaben das Land, die darüber hinaus den größten Teil Mitteleuropas bedeckten. Die Welt des
Fürsten von Hochdorf zeigte sich von der übermächtigen Natur geprägt, der die Menschen mühsam Ackerland abgerungen hatten.
|27| Keltische Kunst
Die Kelten zeichnen sich bis heute durch ihre auffallende und charakteristische Kunst aus, die zugleich das hohe technische
Können ihrer Kunsthandwerker ausdrückt. Denn der Gedanke an die Kunst um ihrer selbst willen war ihnen fremd, wie auch anderen
alten Kulturen und dem abendländischen Mittelalter. Der künstlerische Ausdruck hatte der Verzierung zu dienen oder der Darstellung
religiöser und politischer Symbolik. Deshalb findet er sich vor allem auf Zier- und Gebrauchsgegenständen des Stammesadels,
die als wertvolle Grabbeigaben in Gold, Bronze oder Eisen erhalten blieben: auf Eimern, Kannen und Kesseln, auf Waffen wie
Lanzenblättern, Schwertern sowie deren Scheiden, auf Schildbeschlägen und als Zierde der hölzernen Wagen, auf Schmuck wie
den Fibeln, Broschen und Ringen aller Art, darunter den typischen Halsringen der Torques. Der Größe dieser |28| Dinge entsprechend nahm die keltische Kunst nie monumentale und selten größere Dimensionen an;zahlreiche ihrer Meisterwerke
messen nur wenige Zentimeter.
Der Grabhügel Kleinaspergle (um 400 vor Chr.) enthielt reiche Beigaben, die typisch für den keltischen Adel waren: Bronzegefäße,
Trinkhörner, eine rotfigurigeTonschale aus Griechenland und anderes mehr.
In der Hallstattzeit verwandte man überwiegend streng geometrische Muster, die in Bronzeblech getrieben oder graviert wurden
und nach südlichem Vorbild Mäanderformen annehmen konnten. Die figürliche oder gar realistische Darstellung nach griechischen
oder etruskischenVorgaben stellte immer nur eineAusnahme dar und war zu keiner Zeit üblich.Dass sie die keltischen Kunsthandwerker
gleichwohl beherrschten, beweist die erwähnte Löwenkopie des griechischen Kessels von Hochdorf: Mit ihr übertraf der einheimische
Bronzeschmied die mediterranenVorbilder.Im selben Grab weist zudem die bronzene Liege des toten Fürsten mehrere szenische
Darstellungen auf, deren eingepunzte Figuren und Motive in knapper Stilisierung wiedergegeben wurden: vierrädrige Wagen, von
zwei Hengsten gezogen, darauf stehend ein Mann mit Schild und Speer, dazwischen Figurengruppen von Schwerttänzern. Ebenso
gehört eine im oberösterreichischen Hallstatt gefundene Schwertscheide zu den wenigen Gegenständen, die Figurendarstellungen
überliefern.Bei ihr sind es unter anderem eingravierte Krieger.Doch all dies gilt nicht als typisch keltisch und war sehr
stark südlichen Einflüssen verpflichtet.
Erst mit der LaTène-Kultur entwickelten die Kelten seit dem 5.Jahrhundert vor Chr. ihren eigentümlichen und eigenständigen
künstlerischen Ausdruck. Dabei griffen sie weiterhin auf fremde Vorbilder zurück, die von den Griechen und Etruskern, aber
auch von denThrakern des Balkans und den Skythen der östlichen Steppen stammten. Unter ihnen schätzte der keltische Künstler
offensichtlich besonders die antiken Pflanzenornamente mit ihren Blättern, Blüten und Palmetten, den typischen palmenblattähnlichen
und fächerförmigen Motiven. Doch deren regelmäßig geordnete Muster wandelte er in höchst eigenwilliger Weise ab: Er |29| zerlegte die übersichtlichen Elemente der mediterranen Kunst in ihre Einzelteile, bis sie nicht wiederzuerkennen waren. Dann
begann er mit diesen zerstückelten Bausteinen ein neues Muster entstehen zu lassen, das nichts mehr mit seinerVorlage zu tun
hatte.
Die Pflanzenmotive wurden abstrakter, fremdartiger und unübersichtlicher; sie bildeten Spiralen und Zirkelbögen, leere Zwischenräume
füllten sich mit zusätzlichen blätter- und leierförmigen Motiven an. Die reichen Ornamente der keltischen Künstler endeten
schließlich in einem geradezu labyrinthischen Chaos ohne Anfang und Ende. Doch damit nicht genug – aus diesem ornamentalen
Dschungel ließ man eine Vielzahl von Lebewesen
Weitere Kostenlose Bücher