Die Welt der Kelten
Erhebungen thronten befestigte Siedlungen über den Gehöften und kleinen Dörfern ihres Umlandes. In wenigen
Kilometern Entfernung erhoben sich um sie größere und kleinere Hügel aus aufgeschütteter Erde, welche die Gräber von Verstorbenen
bargen. Manche dieser Grabhügel zierten steinerne Stelen, andere lebensgroße Steinfiguren, die wie die von Hirschlanden in
der Nähe Hochdorfs offensichtlich einen verstorbenen Häuptling darstellten. Die Höhensiedlung, der so genannte Fürstensitz,
und der |33| Grabhügel, der als Fürstengrab bezeichnet wird, gehörten zusammen. Sie kennzeichneten die Stammeszentren der frühen Kelten.
Ein weiteres Charakteristikum kam hinzu: Wie die älteren Alpenbewohner von Hallstatt und Hallein stellten die Menschen der
genannten Gebiete Eisen her und fertigen daraus Schwerter aus Stahl. Doch das leicht zu findende Eisenerz musste verhüttet
werden. Diese Technik erforderte hohe Temperaturen, die man mit Holzkohle erreichte. Der Eisenschmied tat sich mit dem Köhler
zusammen, der den nahen Wald abholzte. Darum zeichneten sich die keltischen Gebiete durch eine zunehmende Nutzung des Waldes
aus. Die Landschaft um die Fürstensitze wurde offener und karger, was den bis dahin wohl schwersten Eingriff des Menschen
in die natürlichen Verhältnisse in Mitteleuropa darstellte.
Gegen die Waldwildnis wirkten diese vom Menschen geschaffenen Flächen zwar immer noch gering, aber dem Reisenden fielen die
wachsenden Siedlungsinseln auf. Ihre Monumente bannten seinen Blick: So der 8 Meter aufragende Grabhügel des Magdalenenberges
bei Villingen-Schwenningen am Ostrand des Schwarzwaldes, dessen Durchmesser imposante 102 Meter betrug. In seiner Holzkammer
bestattete man bereits um 614 vor Chr. einen hoch stehenden Häuptling. Allein in Württemberg hat man über 7 000 derartiger
Grabhügel gezählt. Dort und andernorts erhoben sich immer die Fürstensitze in ihrer Nähe: auf dem Mont Lassois im oberen Seinetal,
auf dem Üetliberg über dem Zürichsee, auf dem Breisacher Münsterberg am Rhein, auf dem Marienberg von Würzburg am Main und
in der Heuneburg, die auf den Oberlauf der Donau blickte.
Diese prägnante vorgeschichtliche Zivilisation bezeichnet man als westliche späte Hallstattkultur, deren Einflüsse bis in
den Salzburger Raum reichten. Als ihre Träger gelten Kelten, während ihre östlichen Nachbarn bis nach Tschechien und auf den
Balkan wahrscheinlich keine Kelten waren. Ihre Blütezeit erlebten sie im 6. und in den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts
vor Chr.
Die Sandsteinstatue des Kriegers von Hirschlanden repräsentiert denAdel der späten Hallstattkultur. Sie bekrönte vermutlich
einen Grabhügel. Duplikate solcher keltischen Großplastiken lassen die Betrachter eine geheimnisvolle mythischeVergangenheit
erahnen. (Vgl. S. 44f.)
Damals erwähnte erstmals ein griechischer Gelehrter das Volk im Norden und benannte es als
Keltoi,
»Kelten«. Dieser Hekataios aus Milet führte sogar angebliche Städte in ihrem Gebiet an und lokalisierte sie in der Nähe der
griechischen Kolonie Massalia. Einige Jahrzehnte später war es mit Herodot der berühmte Vater der Geschichtsschreibung, |34| der weitere Angaben machte: »Die Donau entspringt im Keltenlande bei der Stadt Pyrene und fließt durch Europa, indem sie es
teilt.« Seine Bewohner lebten jenseits der Säulen des Herakles, womit die Griechen die Meerenge von Gibraltar meinten. Gemäß
dieser Beschreibung wohnten die Kelten in Herodots Augen fast am Ende der Welt.
Trotzdem konnte man Handel mit ihnen treiben. So mancher Kelte kam in den Süden, genoss die ungewöhnlich warme Sonne und bestaunte
den Reichtum der Städte. Im Gegenzug machten sich Händler und Handwerker auf den Weg in den kalten Norden, aus dem sie mit
ersten Schilderungen der Barbaren zurückkehrten. Auf diesem Weg dürfte auch der Name der Kelten zu den griechischen Geschichtsschreibern
gelangt sein.
Außer den Griechen, die mit ihrer Kolonie Massalia die Hauptpforte zur Keltenwelt besaßen, lernten die frühen Mitteleuropäer
vor allem die Etrusker kennen. Diese schufen die erste städtische Hochkultur auf der italienischen Halbinsel, deren Erinnerung
bis heute im Namen der Toskana erhalten blieb. Die Tusci – wie sie die Römer nannten – sind nach Herkunft und Wesen genauso
geheimnisumwittert wie die Kelten. Zu den historisch gesicherten Tatsachen gehört, dass sie im 6. Jahrhundert einen Bund von
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