Die Welt der Kelten
besiegen.
Den Schlachtreihen der Legionen standen die Gallier gegenüber, die ein ganz anderes Bild von sich gaben. Sie trugen bunte
Hemden, Hosen und einen gestreiften Überwurf. Ließ sie diese Bekleidung in römischen Augen eher komisch erscheinen, wirkten
ihre militärische Ausrüstung und ihr Gebaren erschreckend martialisch, wie der Historiker Diodor berichtet: »Bewaffnet sind
sie mit mannshohen Schilden, die eigenartig bunt bemalt sind. Einige haben auch aufgesetzte bronzene Tierfiguren in guter
Ausführung, nicht nur als Schmuck, sondern auch zum Schutz. Sie tragen Bronzehelme mit hoch emporragenden Aufsätzen, die ihren
Trägern ein sehr großes Aussehen geben. Einige Helme haben nämlich angeschmiedete Hörner, andere Darstellungen der Köpfe von
Vögeln oder vierfüßigen Tieren. Sie haben Trompeten mit eigentümlichem, barbarischem Klang. Denn wenn sie in diese blasen,
bringen sie einen rauen und zum Kriegslärm passenden Ton hervor. Einige tragen eiserne Kettenpanzer, andere begnügen sich
mit ihrer bloßen Haut und kämpfen unbekleidet.« Als Waffen benutzten sie lange Schwerter, die an eisernen oder bronzenen Ketten
hingen und an der rechten Seite anlagen. Ferner gebrauchten sie Speere mit langen Spitzen, die furchtbare Wunden reißen konnten.
Vor Kampfbeginn und während der Schlacht sollen sie folgende Bräuche gepflegt haben: Wenn sie sich zur Schlacht aufgestellt
hatten, herrschte die Sitte, vor die Kampflinie zu treten und die Tapfersten der Gegner zum Zweikampf herauszufordern, wobei
sie ihre Waffen schwangen, um ihren Gegnern Furcht einzuflößen. Nahm einer die Herausforderung zum Kampf an, priesen sie die
Heldentaten ihrer Vorfahren und brüsteten sich mit ihrer eigenen Tapferkeit. Den Gegner beschimpften sie, setzten ihn herab |84| und suchten ihm im Voraus die Kampfmoral zu nehmen. Den gefallenen Feinden schlugen sie die Köpfe ab und hängten diese ihren
Pferden an den Hals; die erbeuteten Waffen übergaben sie ihren Dienern, und obwohl sie blutverschmiert waren, führten sie
die Trophäen unter Hymnen und Siegesgesängen mit sich.
Den keltischen Stammeskriegern mussten die römischen Legionäre in ihrer anonymen Masse völlig fremdartig erscheinen. Verlangte
nicht der Kriegerstolz, dass man sich kundtat, sich vorstellte und seine Heldentaten pries; dass man die tapferen Feinde aufzählte,
deren Köpfe man sein Eigen nannte! Die Gallier orientierten sich an ihren Stammes- und Gefolgschaftsverbänden. Und wenn der
Klang der Kriegstrompeten zum Kampfbeginn ertönte, stürmte man mit Todesverachtung los und dachte nur an den ruhmreichen Sieg.
Den antiken Geschichtsschreibern erschien diese Taktik als Beweis barbarischer Tollheit. Trotzdem waren die Kelten damit über
Jahrhunderte erfolgreich, sie erregten bei ihren Feinden Furcht und Schrecken.
Derart unterschiedlich standen sich also Belger und Römer zum ersten Mal gegenüber und erwarteten jeweils den Angriff der
gegnerischen Seite. |85| Zwischen ihnen erstreckte sich ein Sumpf, den keiner als Erster durchqueren wollte. Die Gefahr, sich darin eine Blöße zu geben,
war zu groß. Die gallischen Krieger wollten siegreich kämpfen und nicht in einem Morast niedergemetzelt werden. Caesar zog
daraus die Konsequenz und führte seine Legionen ins Lager zurück. Als die Belger anschließend doch einen Überraschungsangriff
unternahmen, wurden sie blutig zurückgeschlagen. Eine rasche Entscheidung schien demnach nicht möglich zu sein. Zudem gingen
die lebenswichtigen Vorräte zur Neige. So entschloss man sich, den Kampf abzubrechen und in die jeweiligen Stammesgebiete
heimzukehren. Diesen überraschenden Aufbruch mitten in der Nacht hielt Caesar anfangs für die Inszenierung eines Hinterhalts.
Doch das Zweckbündnis der Belger hatte sich in der Tat aufgelöst und war wieder in seine Einzelstämme zerfallen, denen in
erster Linie die Verteidigung des eigenen Gebiets notwendig erschien. Als der Römer diesen für ihn unbegreiflichen Rückzug
erkannt hatte, schickte er ihnen Reiter und Legionen hinterher, die den Abziehenden am nächsten Tag noch größere Verluste
bereiteten. Gleichwohl wurde die Entscheidungsschlacht vertagt.
|84| Die Krieger und ihre Welt
Unter den Griechen und Römern waren die keltischen Stämme weniger wegen ihrer Druiden bekannt, von denen ohnehin erst Caesar
berichtet. Hingegen fürchtete man seit dem 4. Jahrhundert vor Chr. die Kampfkraft und Unberechenbarkeit
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