Die Welt der Kelten
Haeduer
oder Sequaner. Sie waren nur von Interesse, wenn es um Bündnisse ging und um die Interessen des eigenen Stammes. Ob die gesamtgallische
Druidenschicht gezielt ein stammesübergreifendes Bewusstsein pflegte und ob ihr darin Adlige und die breite Bevölkerung folgten,
ist völlig ungewiss. Sicher ist dagegen, dass Stammesdenken und Zersplitterung der Gallier ein gemeinsames Vorgehen gegen
Caesar erschwerten und fast unmöglich erscheinen ließen.
Außerdem herrschten innerhalb der Stämme viele verschiedene Meinungen. Am deutlichsten trat dies bei den Haeduern zu Tage,
wo die Brüder Diviciacus und Dumnorix nicht nur die politische Lage unterschiedlich einschätzten, sondern wohl auch entgegengesetzte
Ideen vertraten. Nach Caesars Schilderung galt Diviciacus als traditionsbetonter Druide, der die überkommenen Stammesgesetze
pflegte. Das enge Bündnis mit Rom, das von den Vorvätern übernommen worden war, setzte er gegenüber Caesar fort. Während des
gallischen Krieges zählte er offenbar zu dessen engsten einheimischen Beratern.
Ganz anders verhielt sich Dumnorix, den Caesar als Gegner einschätzte. Schon während der Kämpfe gegen die Helvetier sah er
unter den Haeduern eine starke Opposition am Werk, die Hilfeleistungen für die Römer, etwa das wichtige Getreide, zu boykottieren
versuchte. Der oberste Stammesführer machte Dumnorix dafür verantwortlich und beschrieb ihn nach Caesars Worten wie folgt:
»Tollkühn und verwegen sei er beim Volk überaus beliebt. Mehrere Jahre lang habe er die Zölle und die übrigen Abgaben bei
den Haeduern für eine geringe Summe gepachtet, weil niemand wage, dagegen zu bieten, wenn er biete. Auf diese Weise habe er
sein Vermögen vermehrt und sich umfangreiche Möglichkeiten der Bestechung geschaffen. Er unterhalte eine große Zahl von Reitern,
die sich immer in seiner Nähe befänden, und nicht allein in der Heimat, sondern auch bei den benachbarten Stämmen sei sein
Einfluss bedeutend. Um seine Macht zu sichern, habe er seine Mutter dem vornehmsten und mächtigsten Mann der Biturigen zur
Ehe gegeben, während er selbst eine Frau aus dem Stamm der Helvetier besitze und seine Schwester mütterlicherseits sowie die
Frauen aus seiner Familie in andere Stämme verheiratet habe. Auf Grund seiner |81| Verwandtschaft sei er den Helvetiern freundschaftlich verbunden, während er Caesar und die Römer aus ganz persönlichen Gründen
hasse, weil durch ihr Erscheinen seine Machtstellung erschüttert worden sei, wohingegen sein Bruder Diviciacus seine frühere
Beliebtheit und sein ehrenvolles Ansehen wiedererlangt habe.«
Jenseits von Caesars einseitiger Darstellung erwies sich der Haeduer als machtbewusster Adliger, der alle Register der Stammesgesellschaft
zu ziehen verstand – kriegerische Tapferkeit, Beliebtheit beim Volk, Reichtum und eine Schar von Abhängigen, eine schlagkräftige
Kriegergefolgschaft und die diplomatischen Feinheiten einer weit verzweigten Heiratspolitik. Er war bei weitem nicht der hinterlistige
Intrigant, als den ihn Caesar hinstellte, sondern ein stolzer keltischer Aristokrat, der sich sogar auf Münzen abbilden ließ.
Eine zeigt ihn mit den Insignien des siegreichen Kämpfers: mit dem Schwert und dem Kopf eines Feindes in der Hand. In lateinischen
Buchstaben ist zudem sein Name zu lesen. Roms Feinde griffen also auf die Schrift der Römer zurück, ohne auf die eigenen Traditionen
zu verzichten. Unter den Galliern gab es viele Männer, die wie Dumnorix dachten.
Die Belger sind die Tapfersten der Gallier
Weit oben in den nördlichsten Teilen Galliens lagen jenseits der Seine und der Marne die Siedlungsgebiete der Belger. Das
Land ihrer vielen Stämme wurde von Wäldern und Sümpfen geprägt und war insofern erheblich unzugänglicher als das so genannte
keltische Gallien, dessen Oppida durch ein Wegenetz verbunden waren. Wegen dieser rauen Umwelt unterschieden sich die Menschen
dort von den übrigen Galliern. Darüber hinaus hielt man sie für Abkömmlinge eingewanderter Germanen, die sich einen Teil ihrer
Wildheit bewahrt hatten. Caesar bezeichnete sie als die Tapfersten unter den Galliern, die Gründe dafür sind für ihn offensichtlich:
Sie wohnten am weitesten entfernt von der verfeinerten Lebensweise und Zivilisation der römischen Provinz, weshalb nur selten
deren Händler mit ihren Waren zu ihnen gelangten. Überdies führte die Nachbarschaft zu den Germanen ständig zu
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