Die Welt der Kelten
Stärke im Kampf aus dem Unterholz und im Hinterhalt zu sehen.
Zu ihren traditionellen Angriffs- und Verteidigungstechniken gehörte es, junge Bäume einzuschneiden und umzubiegen. Zwischen
ihren dann in die Breite wachsenden zahlreichen Zweigen pflanzten sie Brombeer- und Dornbüsche und stellten auf diese Weise
einen Schutzverhau her. Nach Caesars Bericht war diese künstliche Hecke so undurchdringlich wie eine Mauer.
Damit gelang es den Nerviern nicht nur, die Römer abzuwehren, sie |87| sorgten mit ihren Überraschungsangriffen aus den Wäldern sogar für erhebliche Unruhe beim Feind. Mit großer Geschwindigkeit
stürmten sie hervor und stürzten sich auf die Reiterei. Nachdem diese sie zurückgeschlagen hatte, griffen sie unverzüglich
die gerade einen Fluss überquerenden Legionäre an und störten anschließend deren Schanzarbeiten beim Lagerbau. Caesar sah
sich zur Eile getrieben und hieß die Legionäre, sich in Schlachtordnung aufzustellen. Doch sie wurden von den ständigen Attacken
der Nervier überrascht und mussten unter chaotischen Verhältnissen kämpfen. Der Feldherr selbst nannte die Situation mitten
im wilden Nervierland »außerordentlich ungünstig«. Derweil hatten seine Feinde entdeckt, dass das römische Lager große Schwachstellen
aufwies. In dichten Reihen stürmten sie über ungedeckte Verschanzungen und glaubten das Lager in ihrer Hand. Daraufhin machten
sich Schrecken und Verzweiflung unter den Römern und ihren Verbündeten breit. Die mit Caesar verbündete Reiterei der Treverer
verließ sogar den Kampfplatz und kehrte heim ins Moselland.
In dieser Situation musste der Statthalter sein Leben wagen, um in letzter Minute die Katastrophe abzuwehren. Er griff sich
einen Schild und |88| drang bis zur ersten Kampfreihe vor, wo er seine Soldaten ermutigte und anspornte. Tatsächlich gelang es ihm, ihren Widerstand
zu stärken und die desolaten Reihen zu schließen. Zugleich erschienen drei lang erwartete Legionen, die die Wende herbeiführten.
Die Nervier sahen sich auf einmal von mehreren Seiten angegriffen und verteidigten sich erbittert bis zum letzten Mann, denn
eine Aufgabe kam für sie nicht in Frage. Darum fanden fast alle ihrer Krieger in dieser Schlacht den Tod. Den überlebenden
Alten mit den Frauen und Kindern gewährte Caesar Frieden. Noch nie war der Römer bis dahin in Gallien einer Niederlage so
nahe gewesen wie in dieser Schlacht in der Wildnis. Anschließend wurde der letzte Widerstand unter den Belgern gebrochen,
von denen man Tausende in die Sklaverei verkaufte.
Gegen Ende des Jahres 57 vor Chr. herrschte nach Caesars Angaben in ganz Gallien Ruhe. Er hatte nicht nur die gefürchteten
Belger in ihre Schranken verwiesen. Seine Legionen hatten darüber hinaus viele andere Stämme Galliens unterworfen. Römische
Truppen wurden in Winterlagern mitten in den Stammesgebieten stationiert, um die römische Herrschaft über Gallien sicherzustellen.
Nach diesen Erfolgen nahm Caesar gern die |89| Ehrungen des Senats entgegen, mit denen zugleich sein Oberkommando in Gallien bestätigt wurde.
Aber wenn er tatsächlich glaubte, das ganze Land zu kontrollieren, irrte er sich. Er hatte zwar mit seinen rasanten Feldzügen
einigen Stämmen römische Heeresmacht demonstriert. Zu vielen war jedoch noch kein einziger Legionär vorgedrungen; dort wusste
man nichts von der vermeintlichen Eroberung Galliens.
|89| Seeschlachten, Guerillas und Massaker – Gallien steht nicht unter Caesars Herrschaft
Während das Land der Belger ein Randgebiet Galliens darstellte, das mit seinen schwer zu durchdringenden Wäldern und Sümpfen
schon an die Wildnis Germaniens erinnerte, lebte der Stamm der Veneter in einer völlig anderen Welt. Diese Kelten siedelten
an der bretonischen Atlantikküste und hatten als geschickte Seefahrer großen Wohlstand erworben. Mit ihren flachen Schiffen,
deren Bug und Heck hoch emporragten, konnten sie sowohl Untiefen meistern als auch die starken Wellen des offenen Meeres überstehen.
Segel aus Leder sorgten für eine beachtliche Geschwindigkeit. Die Veneter verfügten über eine ganze Flotte derartiger Schiffe,
die in Gallien ihresgleichen suchte. Auf ihnen betrieben sie neben der Fischerei vor allem intensiven Handel mit Spanien und
den Britischen Inseln. Damit kontrollierten sie den selbst für Rom wichtigen Zinnhandel, der die Basis ihres Reichtums und
ihrer Macht bildete. Sie beherrschten die vereinzelten Häfen,
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