Die Welt in mir (German Edition)
mir das Messer an den Hals gedrückt hatte. Alex’ Arm war mir wesentlich
lieber. Er fühlte sich warm auf meiner Haut an und ich konnte seine
Armbehaarung fühlen, die leicht kitzelte. Seine Berührung war allerdings nicht
so schockierend wie Joshs. Es durchfuhr mich zwar ein Prickeln dabei, so nah an
ihm gedrückt zu sein, aber es war nicht so überwältigend wie bei Josh.
„Gut fangen wir an! Dann
versuche, dich mal zu befreien. Und keine Sorge, du tust mir nicht weh“, sagte
er ganz nah an meinem Ohr.
Ich startete eher zögerliche
Versuche, um mich zu befreien.
„Komm schon! In dir steckt
mehr. Lass es raus!“
Meine Versuche wurden etwas
rabiater, aber Alex bewegte sich keinen Millimeter von mir weg. Ich war
gefangen. Mein Zappeln und meine halbherzigen Versuche brachten nichts. Ich
merkte, dass mich immer mehr der Kampfgeist und auch Zorn packten. Wahrscheinlich
war es auch zum Teil der Einfluss von Alex, aber er reichte nicht, um mich aus
der Lage zu befreien. Je heftiger ich zerrte und zog, mich wand und versuchte,
zu entkommen, desto mehr verlor ich an Kraft. Und statt es meinem potenziellen
Angreifer schwerer zu machen, bemerkte ich, dass ich es eigentlich mir schwerer
machte. Ich ging einfach blind vor, wusste nicht genau, was ich tun sollte und
verlor mit jeder Bewegung und jedem krampfhaften Zerren mehr und mehr an
Kräften. Geschlagen ließ ich meine Hände sinken und lehnte mich zurück an Alex'
Brust. Er hatte gewonnen. Aber statt seinen Sieg auszukosten, wie ich es von
ihm erwartet hätte, ließ er seinen Arm einfach von meinem Hals sinken und
richtete mich auf. Er drehte mich mit dem Gesicht zu sich und schaute mich an.
„Gut fangen wir an, dir
beizubringen, wie du bösen Jungs die Tour vermasseln kannst, wenn sie dich
angreifen.“
Damit hatte er nicht zu viel
versprochen. Es machte erstaunlich viel Spaß, Angriffe und Befreiungstechniken
zu lernen. Ich war erstaunt, was für ein guter Lehrer in Alex steckte. Er kannte
viele Tricks und brachte mir ebenso Bewegungsabläufe bei wie Kontras auf
verschiedene Angriffe. Sein Interesse an Kampfsport war also mehr als ein
Hobby, sondern eine echte Leidenschaft und auch Teil seines Wissen, das er nun weitergab.
Vor allem war ich aber über seine Ruhe erstaunt. Von dem temperamentvollen und
aggressiven Alex war nichts zu erkennen.
„Bei jedem Kampf ist es
wichtig, dass du Ruhe bewahrst und dich konzentrierst. Wenn du dich von der
Panik beherrschen lässt, wird dein Gegner einen Vorteil haben. Also: Adrenalin
ist gut, aber du musst fokussiert bleiben und ruhig“, erklärte mir Alex ganz
sachlich, und ich verstand, warum dies wichtig war. Offenbar lag ihm wirklich
viel daran, dass ich es lernte. Das erste Mal, seit ich ihn kannte, ging sein
Temperament nicht mit ihm durch. Nur wenn ich etwas auch beim vierten Mal nicht
richtig machte, war er genervt und raunzte mich an. Doch dies spornte mich nur
noch mehr an, es endlich zu lernen. Das Training kostete mich viel Kraft und war
mehr Sport, als ich im vergangenen Jahr zusammen gemacht hatte. Aber das
Kämpfen wirkte auch befreiend. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das
Gefühl, kein hilfloses kleines Mädchen zu sein, sondern etwas zu können, um
mich selbst zu schützen. Wie es in der Praxis damit aussah, stand sicherlich
auf einem anderen Blatt geschrieben. Aber gerade, während ich kickte und
Schläge lernte, fühlte es sich gut an. Zum Schluss riss er mich wieder an sich.
Ich befand mich in derselben Lage wie zu Beginn unseres Trainings. Diesmal ging
ich nicht blind vor, sondern wusste, was ich tun musste, um mich zu befreien.
„Das war gut. Für heute hast du
genug gelernt. Außerdem wollen wir doch, dass du dich morgen noch bewegen
kannst“, er zwinkerte mir zu.
Jetzt, nachdem wir aufgehört
hatten, merkte ich meine Muskeln. Ich trank aus einer vollen Flasche, die zu
schwer für meinen Arm wirkte. Er zitterte leicht, auch meine Beine fühlten sich
an, als wären sie überanstrengt. Ich ging zum Sofa an der Wand und ließ mich
drauffallen. Ich wusste, dass jeder immer was von Cool-Down und Stretching
erzählte, aber ohne Zweifel würden meine Beine mich nicht mehr halten.
Ebenfalls unsicher war ich mir darüber, ob ich mich morgen überhaupt bewegen konnte.
Ich würde ganz bestimmt höllischen Muskelkater haben. Aber jeder Schmerz würde
es wert sein. Denn so gut und selbstbewusst, wie bei der Trainingseinheit hatte
ich mich schon sehr lange nicht mehr gefühlt. Ich hoffte, Alex und
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