Die Welt in mir (German Edition)
natürlich um seine Eltern trauerte, hatte er eine gute Kindheit,
wie er selbst sagte. Er wusste, dass seine Eltern ihn sehr geliebt hatten. Zu
seiner Tante hatte er heute nur wenig Kontakt, was aber nicht etwa daran lag,
dass er kein gutes Verhältnis hatten, sondern daran, dass sie an Alzheimer litt
und sich nicht mehr an ihn erinnern konnte.
Als er dies sagte, huschte ein
trauriger Ausdruck über sein Gesicht, den ich ihm zu gern genommen hätte. Außerdem
erzählte er, dass er sich auch eine Beziehung voller Liebe, wie es seine Eltern
gehabt hatten, wünschte. Während er die Worte aussprach, wirkte er bedrückt,
versuchte, den Ausdruck aber vor mir zu verbergen.
Auch ich setzte ein tapferes
Lächeln auf, obwohl es meinem Herzen einen Stich versetzt hatte und ich am
liebsten gebrüllt hätte: „Nimm mich! Ich werde dich bis an mein Lebensende
lieben.“ Doch damit die Worte nicht aus mir rausplatzten, wand ich den Blick
ab. Dabei sprachen wir wieder nicht über Alex. Ich vermied die Frage, ob er ihn
als Freund sah und auch, was zwischen ihnen passiert war, obwohl ich es nur zu
gerne gewusst hätte.
Er war aber auch an meinem
Leben interessiert und stellte Fragen über meine Freundinnen, über meine
Kindheit und meine Familie. Bei jedem Wort aus meinem Mund wusste ich genau,
dass er aufmerksam zuhörte und wirklich an dem, was ich sagte, interessiert war.
Die Tage vergingen wie im Flug
und ich genoss seine Nähe. Zudem kam ich nicht umhin, festzustellen, dass Josh
ein guter Koch war. Offenbar gelangen ihm nicht nur die leckersten Gerichte,
sondern er stand auch noch gerne hinter dem Herd. Dies war etwas, was wir nicht
gemeinsam hatten.
Aber ich beschloss es, als
perfekte Ergänzung einzustufen. Wenn wir zusammen aßen und miteinander
sprachen, kam es mir fast so vor, wie eine Verabredung. Dann konnte ich mir
beinahe einbilden, es würde sich um ein Date handeln, weil wir uns besser
kennenlernten und Privates preisgaben. Mittlerweile war der Schmerz aus meinem
Herzen fast vollkommen verschwunden. Ab und an schlich er sich kurz zurück,
wenn Josh einen bekümmerten Ausdruck in den Augen hatte. Manchmal schaute er
mich voller Trauer an und versteckte sich danach hinter einer Mauer. Warum konnte
ich nicht sagen. Ich wollte ihn aber auch nicht fragen, was los sei, aus Angst,
ihn zu bedrängen. Noch war unsere Verbindung nicht tief genug, um sich alles
erlauben zu können. In solchen Moment hatte ich beinahe Angst, mich zu bewegen
und dann lauerte auch wieder der Schmerz, bereit, sich wieder fest um mein Herz
zu legen. Zum Glück waren diese Augenblicke aber nur kurz.
Die meiste Zeit war meine Hoffnung
auf erneutes Glück groß. Tatsächlich überkam mich immer häufiger ein
glückliches und harmonisches Gefühl in seiner Nähe, das ich von damals noch
sehr genau kannte. Es war so vertraut und wunderbar, dass ich es immer voll und
ganz auskoste. Es war aber nicht Joshs Einfluss, sondern meine eigene
Empfindung, die durch die Verliebtheit zu Josh und sein Dasein ausgelöst wurden.
Auch wenn ich mir seinem
Einfluss in meinem Inneren bewusst war, hatte ich mich bisher nicht getraut, zu
fühlen, was er fühlte. Solange eine Chance bestand, dass er mich immer noch
zurückweisen wollte, wollte ich dies nicht fühlen. Dies würde meine
hoffnungsvolle Idylle zerstören, in der ich gerade lebte. Und dort wollte ich
unbekümmert bleiben, solange es eben ging.
Von Alex hatte ich in den
ganzen Tagen nichts gehört. Ob er Josh angerufen hatte, wusste ich ebenfalls
nicht. Zumindest hatte Josh ihn mit keinem Wort erwähnt. Wenn ich abends im
Bett lag, wanderten meine Gedanken immer zu Alex. Auch wenn er mir versichert hatte,
ihm würde nichts passieren und alles würde gut werden, machte ich mir Sorgen.
Was geschah, wenn er auf weitere Späher traf? Oder schlimmer noch, die Späher
behaupteten, er würde das Gleichgewicht in sich tragen? All dies bereitete mir
große Sorge. So sehr wünschte ich mir, dass er sich meldete und zumindest
erklärte, wie es ihm ging. Auch nicht zu wissen, wo er sich aufhielt, machte
mich wahnsinnig. War er einfach in seiner Wohnung untergetaucht oder suchte er
die Gefahr? Bei Alex befürchtete ich Letzteres, weil ich ihn nun einmal kannte.
Er war kein Mann, der das Risiko scheute, sondern lieber voll drauf zulief.
Ab und an erwischte ich mich,
wie ich mit verschränkten Armen, um mich vom Frösteln, das aus meinem Inneren kam,
zu schützen, am Fenster stand und in meine Wohnung schaute. Stets
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