Die Welt ist nicht immer Freitag
mehr Zeit.
- Nein. Sie kaufen jetzt diesen Anzug, und damit basta.
- Hören Sie, 300 Mark, das kann ich nicht so hoppla-hopp entscheiden, das ist viel Geld…
- Der Anzug ist runtergesetzt.
- Seit wann?
- Seit jetzt.
- Warum?
Der Verkäufer wirft den Anzug zu Boden.
- Is runtergefallen. Kostet jetzt nur noch 200 Mark.
- Naja, 200 Mark sind 200 Mark.
- Wenn ich versehentlich drauftreten würde, wird er noch billiger.
- Aha. Was müßte denn passiern, damit ich den Anzug, na, sagen wir mal für 10 Mark bekommen würde?
- Naja, wenn ich versehentlich drauftreten würde, während ein Kunde drinsteckt, dann bekäme der Kunde den Anzug umsonst. Jaa.
Und weil man so ein Angebot nicht jeden Tag bekommt, deshalb habe ich heute Rückenschmerzen, war trotzdem ein fairer Deal.
In Vertretung
Donnerstagnacht 2.30 Uhr. Seit fünf Stunden saß ich nun schon mit Martin in der Kneipe. Geredet hatten wir eigentlich nicht viel, außer vielleicht: »Und? Trinkst noch einen mit?« oder: »Mensch, nu is das auch schon wieder halb zwei, mann du, hier is was los.« Ansonsten tranken wir Bier und schwiegen. Es war ein richtig schöner Abend. Ein Männerabend. Ein Idyll. So schön stell ich mir das auch in Skandinavien vor. Doch plötzlich zerstörte Martin diese Idylle. Er sagte den schlimmen Satz. Den Satz, der jede, vor allem auf gemeinsamem Schweigen begründete Männerfreundschaft zerstören kann. Er sagte:
- Horst, ich hab ein Problem.
Ich dachte das, was jeder echte Freund in so einer Situation denken würde. Ich dachte: Horst, du hast jetzt genau zwei Möglichkeiten. Möglichkeit A: Du sagst, du müßtest auf Toilette und versuchst durchs offene Klofenster zu entkommen, Möglichkeit B: Du tust so, als wärst du völlig betrunken und kriegst nichts mehr mit. Wider besseren Wissens jedoch blieb ich sitzen und versuchte so gefaßt wie möglich zu fragen:
- Geht's um eine Frau?
- Worum denn sonst, meine Mutter kommt zu Besuch.
- Ah ja. Martin, merk dir, was du sagen wolltest, ich muß nur eben auf Toilette, ich nehm mal lieber meine Jacke mit, das zieht da immer so durchs offene Klofenster.
- Vergiß es, ich hab vorhin deinen Wohnungsschlüssel aus deiner Manteltasche genommen, du kommst hier erst raus, wenn du mir zugehört hast. Weißt du, meine Mutter ist ganz anders als ich.
- Du meinst, sie ist dynamisch, lebenslustig und sieht für ihr Alter noch verdammt gut aus?
- So in etwa. Ich möchte auf ihren Besuch vorbereitet sein und deshalb bitte ich dich, mich dafür zu trainieren. Ich möchte, daß du so tust, als wärst du meine Mutter und würdest mich besuchen, für 24 Stunden.
- Muß ich mich dazu verkleiden?
- Nein.
- O.k, is geritzt, wann soll ich ankommen?
- Dienstagmorgen.
Dienstagmorgen, Punkt 10.00 Uhr, stehe ich vor Martins Haustür. Er öffnet. Ich strahle ihn an.
- Martin, mein Schatz, da bin ich!
- Hallo.
- Na, was ist das denn für ne Begrüßung? Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?
- Doch, doch.
- Hättest deine alte Mutter auch ruhig mal vom Bahnhof abholen können. Na, hab ich mir eben ein Taxi genommen. Der Fahrer steht unten und wartet, daß du ihm sein Geld bringst.
- Hast du ihn nicht bezahlt?
- Nein, ich hab meinen Geldbeutel zu Hause liegen lassen. Wenn du Weihnachten kommst, gibt Papa dir das wieder. Zahl du jetzt erstmal den Fahrer, ich guck mich hier solange um.
Während Martin den Fahrer bezahlte, inspizierte ich die Wohnung. Als erstes schaute ich in den Kühlschrank, der Junge ißt nicht richtig, sieht auch nicht gut aus, zu den Fenstern, die muß er mehr putzen, zu wenig Licht macht depressiv, und unters Bett, diese Staubknäuel sind ganz gefährlich, die dünsten nachts Bakterien aus und ziehen dann so irgendwie in den Organismus, ganz gefährlich. Ich notierte mir all diese Punkte, um sie Martin den Tag über so nach und nach mitzuteilen. Natürlich immer angefangen mit meiner Lieblingseinleitung für diesen Tag: »Ich weiß, es geht mich nichts an, und ich will mich auch nicht einmischen, aber…« Ich war mir sicher, Martin würde diesen Satz im Laufe des Tages noch richtig schätzen lernen. Als er wiederkam, hatte ich bereits den Staubsauger in der Hand. Ich bemühte mich, ihn möglichst anklagend zu halten.
- Na, das wurde ja wohl höchste Zeit, daß ich dich mal besuche, was? Ich denke, wir zwei machen hier jetzt erstmal richtig sauber, und dann kaufen wir dir was Vernünftiges zum Essen.
- Ich hab die ganze Woche geputzt, Hunger hab ich auch keinen. Und
Weitere Kostenlose Bücher