Die Welt ist nicht immer Freitag
bißchen mehr Freundlichkeit schadet Berlin sicher nix. Aber was ist mit der sozio-kulturellen Identität des Berliners? Was wird aus der Weltstadt mit Herz und Schnauze, wenn die Schnauze wegfällt? Eine Weltstadt mit Herz? Wird Berlin wie München? Das kann doch keiner wollen.
Nehmen wir nur mal den Potsdamer Platz. Vor kurzer Zeit noch war das die größte Baustelle Europas. Das war doch was, das hat Eindruck gemacht inner Welt. Man hätte das so lassen sollen. Denn jetzt, wo es praktisch fertig ist, was ist rausgekommen. Die Arkaden, ein überdachtes Einkaufsparadies, wie es auch in jeder zweiten westdeutschen Kleinstadt genauso steht. Was ist denn das? Da steckt doch Methode hinter. Das ist doch alles von langer Hand lanciert.
Meine Theorie: Die Bonner Beamten haben sich aus Angst vor Heimweh einfach im Zentrum Berlins, ihr Bonn 1:1 maßstabsgetreu nachgebaut. Der Potsdamer Platz ist der Beweis.
Thomas ist immer noch völlig gestreßt, von der Situation in der Bäckerei: »Mann, weißt, was ich dachte, als du da gerade mit der Bäckersfrau Streit angefangen hast?«
- Nee, was denn?
- Na, ich dachte, Mann, jetzt fängt der da mit der Bäckersfrau Streit an.
Meine Schuld, was frag ich auch nach. Traurig schleppe ich mich mit Thomas zu einer Bushaltestelle, um ihm jetzt doch das Berliner Bonn mal zu zeigen. Im Dauerregen warten wir auf den 265er. Der 265er kommt nich. Als der 129er kommt, fragen wir den Fahrer, was mit dem 265er is.
- Watn? Der 265er kommt nich?
- Nee, kommt nich.
- Na denn müssen Se ja wohl zu Fuß laufen, wa? Jungejungejunge, hamm Se sich aber nen schönet Wetter für ausjesucht. Na denn, viel Spaß noch, wa?
Dann schließt er die Tür und fährt ab. Glückselig schaue ich ihm nach. Die BVG-Busfahrer, die kann man nicht so schnell durch Automaten ersetzen. Gut, daß es sie gibt. Vielleicht schon bald die letzte Bastion, die die traditionelle Berliner Lebensart noch bewahrt und pflegt.
ERFOLG
Das große Spiel
Freitagnachmittag. Seit Raumschiff Voyager nicht mehr kommt, habe ich nachmittags immer ziemlich viel Freizeit. Im Moment mache ich grade mit einem neuangefangenen Stift Striche auf einen Zettel, um einmal genau zu sehen, wieviel Striche man machen kann, bis so ein Stift völlig leer ist. Wenn ich das mal genau weiß, kann ich nämlich eine viel genauere Finanzplanung fürs Jahr machen, und auch all meine Freunde wird das bestimmt brennend interessieren. Das gibt Gesprächsstoff für mindestens eine Woche, und ich werd ein bißchen ein Held der Wissenschaft sein.
Ich mache gerade den 17239sten Strich, als sich plötzlich meine innere Stimme mit einer schrecklichen Vermutung meldet:
»Sag mal Horst, kann das sein, daß du grad wieder deine Zeit verplemperst?«
- Och. Ja. Na und? Is doch meine Zeit.
- Horst, wenn du schon mal einen ganzen Nachmittag frei hast, solltest du dann nicht etwas Besonderes machen? Etwas Außergewöhnliches, etwas Aufsehnerregendes, etwas, wovon man noch lange reden wird, was dein Leben verändert, etwas, was du noch nie gemacht hast! Etwas wie Fensterputzen zum Beispiel.
- Hm, klingt nicht schlecht, Fensterputzen. Aber ist das nicht gleich nen bißchen hoch eingestiegen. Sollt ich nich erstmal mit was Leichterem anfangen wie meine Schuhe von der Raummitte an den Zimmerrand räumen? Das war doch auch schon ganz schön was aus diesem ganzen Aufräumspektrum, ne.
- Nein Horst, versuch den großen Wurf, Fensterputzen, das wird dich unsterblich machen, so wie Kolumbus Richtung Indien segelte, statt die Meerenge von Gibraltar zu entdecken.
- Toll, innere Stimme, jetzt hab ich mich verzählt. Jetzt kann ich einen neuen Stift nehmen und wieder ganz von vorne anfangen.
Aber auf einmal hatte ich keine Lust mehr auf Striche zählen. Irgendwo hatte meine innere Stimme schon recht. Na gut. Ich würde ihr eine faire Chance geben. Ich entschied mich für eine gerechte sportliche Lösung. Ich setzte mich aufs Sofa, und in meinem Kopf begann das große Spiel. Das Spiel meiner gegensätzlichen Gedanken um den großen: »Was macht Horst mit seinem Tag-Pokal!« Wir schalten ins Kleinhirnstadion:
- Guten Tag, Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich begrüße Sie hier im mit 2,5 Milliarden Hirnzellen restlos ausverkauften Kleinhirnstadion von Everskopp zum mit Spannung erwarteten großen Endspiel um den begehrten »Was macht Horst mit seinem Tag-Pokal«. Hier kommen die beiden Mannschaften. Da ist zum einen der Herausforderer, das junge, aufstrebende, grad erst wieder
Weitere Kostenlose Bücher