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Die Weltenwanderer

Die Weltenwanderer

Titel: Die Weltenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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endlich, wer
sie
sind und was
sie
von uns wollen? Und was das gerade mit dem Eis war, kannst du mir auch gleich erklären.« Selbst seine Stimme bebte.
    Sie spähte aus dem Seitenfenster und fragte ihrerseits: »Kannst du lesen, was da auf dem Schild steht? Ich muss mir doch mal ’ne Brille anschaffen.«
    Er blies die Backen auf. »Wenn ich dann etwas erfahre! Laut Schild sind es fünfundzwanzig Kilometer bis nach Lübeck. Also?!«
    Sie schwieg, nickte immer wieder und erklärte schließlich: »Ich werte das mal als Zeichen. So zahlreich waren sie uns noch nie auf den Fersen. Das wird für uns zu eng, das schaffe ich nicht allein. Bleibt nur eins: zurück in die Höhle des Löwen.« Gequält lachte sie auf. Eine Träne rollte ihr über die Wange.
    »Nicht weinen«, bat Erik und strich sie mit einem Finger weg. »Sie sind ja erst einmal weg, weil du ’ne Wahnsinnsfahrerin bist ... im wahrsten Sinne des Wortes. Erzähl mir einfach, was los ist! Dann musst du das nicht mehr allein schaffen, dann werde ich dir helfen.«
    Sie schüttelte sich kurz, ließ den Motor an und fuhr auf die Landstraße in Richtung Lübeck. Ein paar Mal schniefte sie, bevor sie sprach: »Genau das kann ich nicht. Ich weiß, es klingt verrückt, ist jedoch unsere einzige Chance. Du darfst den Grund für diese Geschehnisse nicht erfahren. Wenn du ihn kennst, werden ihn auch andere in Erfahrung bringen können. Dann gibt es nirgendwo mehr Sicherheit.«
    Er starrte sie entgeistert an. »Was? Bist du bescheuert? Warum darfst du es wissen, ich aber nicht?« Wütend schlug er mit der Faust gegen die Seitenscheibe. »Ich bin doch kein Kleinkind. Rede endlich mit mir!«
    Sie schaute stur auf die Straße. Hin und wieder lief ihr eine Träne übers Gesicht. Sie schniefte, schwieg jedoch verbissen. Eriks Wünsche schwankten zwischen »sie in den Arm nehmen« und »sie kräftig durchschütteln«.

    Bauernhöfe, Gasthöfe, die noch Zimmer frei hatten, und Seen, die im Mondlicht glitzerten, ließen ihn ruhiger werden.
    »Verrätst du mir, wohin wir fahren, oder darf ich das auch nicht wissen?«, fragte er.
    »Nach Waldsee«, erwiderte sie mit kratziger Stimme. »Das ist ein kleiner Ort in der Nähe von Lübeck.«
    »Waren wir da schon mal?«, wollte er wissen und wischte mit einem Taschentuch die noch leicht beschlagene Frontscheibe ab.
    Sie drehte prompt die Heizung höher, während sie erklärte: »Ich war mal dort, du nicht.«
    »Und wieso ist es die Höhle des Löwen?«
    »Das war Blödsinn. Nur so dahingesagt.«
    Er musterte eine Weile ihr Profil und schüttelte den Kopf. »Wir werden von Feinden durch die Nacht gejagt, vor denen du dich so fürchtest, dass du etliche Male einen Unfall riskierst. Du sagst mir nicht, wer sie sind und was sie wollen. Offensichtlich, damit ich nichts ausplaudern kann. Meine Güte, Leona! Wir sind hier nicht in einem blöden Film. Mir steckt auch noch der Schreck in allen Gliedern. Vielleicht sollten wir versuchen, irgendwo an heiße Schokolade zu kommen. Dann beruhigen sich unsere Nerven, und du wirst dich daran erinnern, wie alt ich mittlerweile bin, und dass ich Geheimnisse gut für mich behalten kann. Wenn Feinde hinter uns her sind, wäre es doch von Vorteil, wenn ich sie erkennen könnte.«
    Sie nagte eine Weile versonnen auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie kaum hörbar hervorbrachte: »Ich wünschte, ich könnte dir alles erzählen. Ich gäbe viel darum, mit dir in den Süden fliegen und ein neues Leben beginnen zu können. Du warst meine einzige Familie. Aber es geht nicht. Ich habe in der Vergangenheit Fehler begangen. Jetzt hat mich die Vergangenheit eingeholt. Wenn wir zusammenbleiben, würde dich das in große Gefahr bringen. Also müssen wir uns vorübergehend trennen.«
    Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, sah, dass er protestieren wollte, und fuhr schnell fort: »Ich hol dich, sobald alles geregelt ist. Versprochen! Und jetzt schlaf!«
    Während er prompt die Augen schloss und im Sitz zusammensackte, schniefte sie vor sich hin.
    Sie wollte ihn nicht belügen und sie wollte ihn nicht verlieren. Trotzdem würde sie ihn gleich aussetzen wie einen ungeliebten Hund und ihn vermutlich nie wiedersehen. Tränen verschleierten ihren Blick.

2
    Der schwarze Lieferwagen passierte das Ortsschild nach Waldsee. Umgeben von bewaldeten Hügeln ging die Fahrt talwärts. Dunkelheit lag über der Senke.
    Van Rhyn sah die ersten reetgedeckten Häuser und den kleinen Supermarkt, der auch gleichzeitig Poststation war. Der

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