Die Weltenwanderer
»Weil ich einem Wahnsinnigen nicht erlaubt habe, uns alle umzubringen? Du kommst vielleicht auf Ideen. Rhan sind zwar in mancher Hinsicht komisch, so komisch allerdings nicht.«
»Aber, wenn dieser Rhanlord erfährt, dass ich nicht Erik Haiden bin, sondern ein Geächteter, der in ein Heim gehört, dann muss ich Waldsee verlassen, oder?«, fragte er unglücklich. Der Gedanke daran, seine neuen Freunde wieder zu verlieren, trieb ihm fast erneut das Wasser in die Augen.
»Ich denke nicht. Meine Großmutter wird den Rhanlord aufsuchen. Der wird nachgiebig sein, wenn wir im Gegenzug für uns behalten, dass sein Bote und persönlicher Freund ein Marú war. Du kennst doch das Lieblingsspiel der Mächtigen: Quid pro Quo! Ich gebe dir etwas, wenn du mir etwas anderes gibst, und das sagen wir dann keinem anderen. Mein Dienstherr, der Rhanlord, und meine Großmutter sind sich spinnefeind und lieben und beherrschen dieses Spiel wie kaum ein anderer. Das ist der Hauptgrund dafür, dass ich versuche, Rhanmarú möglichst fern zu bleiben. Es lebt sich nämlich recht ungemütlich als Spielball zwischen den Fronten. Aber jetzt könnte uns ihre gemeinsame Vorliebe für Intrigen tatsächlich einmal nützlich sein. Verlass dich getrost auf meine Oma! Sie setzt sich eigentlich immer durch.«
Erik nickte erleichtert.
Erneut schwiegen sie eine Weile. Erik dachte darüber nach, dass sein Widersacher besiegt, alle seine Freunde am Leben waren und dass sie endlich nach Hause konnten. Trotzdem fühlte er sich müde, kaputt und ausgelaugt. Es wollte sich einfach kein Jubel einstellen.
»Mir ist immer noch nach Heulen zumute. In Filmen ist das anders. Ich komme mir gar nicht wie der strahlende Sieger vor«, bemerkte er versonnen.
»Kein Wunder! Uns fehlten ja die Stuntmen. Warte bis morgen! Dann können wir beide wieder stehen, ohne dass uns gleich die Beine wegsacken. Wir machen uns ein bisschen fein, waschen das echte Blut ab und so. Sollst mal sehen, dann geben wir die strahlenden Helden schlechthin ab. Zujubeln werden sie uns auf der Erde. Blumen werden sie schmeißen. Du wirst dich vor Verehrerinnen kaum retten können. Sie werden regelrecht über dich herfallen – über dich: den jugendlichen Helden!«
Erik lachte, diesmal schon wesentlich fröhlicher. »Entschuldigung, mein Lord, aber manchmal wirkst du leicht verrückt.«
Aeneas grinste jungenhaft. »Wohl wahr! Ich würde vorschlagen, wir holen jetzt den Rest der Mannschaft und sehen zu, dass wir zur Erde kommen.«
Als der Ringlord aufstehen wollte, hielt Erik ihn zurück.
»Aeneas, mein Vater ist nicht tot. Ich habe ihn im Traum gesehen und gehört. Ich soll ihn befreien und muss ihn suchen.«
Der Ringlord starrte ihn ein paar Sekunden versonnen an, dann seufzte er gottergeben.
»Geträumt? Ich ahnte es: Du bist der Nagel zu meinem Sarg. Ich nehme ein Waisenkind auf, und jetzt geben sich die merkwürdigsten Verwandten von ihm die Klinke in die Hand. Na, was soll’s? Werden wir deinen in jungen Jahren etwas vorwitzigen Papa eben suchen.«
Erik lachte auf, und seine Lebensgeister kehrten spontan zurück. »Du willst mir helfen? Ehrlich?«
Er hörte das vertraute, tiefe Lachen. »Klar doch! Väter suchen gehört schließlich zu meinen Spezialitäten.«
»Tatsächlich? Das habe ich nach deiner Erzählung anders in Erinnerung. Danach hast du noch nicht einmal deinen eigenen finden können«, erwiderte er mit einem Grinsen.
Sein Begleiter blinzelte ihm zu. »Dann stehen die Chancen um so besser, dass ich deinen ausfindig mache. Ich bin nämlich wirklich gut im Suchen, kann ich dir sagen. Und irgendeinen Vater muss ich dann mal finden - schon wegen der Wahrscheinlichkeitstheorie! Logisch, oder?«
»Vollkommen logisch«, antwortete Erik kichernd und ließ sich vom Ringlord hochhelfen. »Du hast es geschafft, Aeneas. Jetzt ist es doch wie im Film: Lachend verließen die Sieger das Schlachtfeld.«
Ende
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