Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
Vom Netzwerk:
in der Malerei und sogar in der Bauplastik, aber kaum Blumen. Die Renaissancekunst nahm diese Tradition jedoch wieder auf.
    Dazwischen sieht man in der Kunst des Mittelalters zwar eine Fülle von Blumen, aber nie ist etwas um seiner selbst willen, zu rein dekorativen Zwecken dargestellt. Alles hat Verweischarakter, Blumen sind symbolisch gemeint: Sie sind in einen erzählerischen, legendenhaften Kontext eingewoben und sprechen regelrecht zum Betrachter, der die Symbolsprache entschlüsseln muss. Den Zeitgenossen fiel das in der Regel nicht schwer. Ganz bekannt sind Paradiesgarten-Darstellungen, auch Hortus conclusus genannt, im Spätmittelalter oft im Zusammenhang mit der Gottesmutter Maria. Auf diesen Bildern erzählt jede Pflanze eine mit religiösem Inhalt aufgeladene Geschichte. Sie stehen stets additiv neben- oder voreinander, wie Sätze in einem Text, und sind weder auf natürliche noch auf dekorative Weise miteinander verbunden. Rose und Lilie sind ganz ausgeprägte Mariensymbole. Jeder kannte die Legende, wonach die Rosen im Paradies keine Dornen gehabt haben sollen, und die Gottesmutter ist eben eine »Rose ohne Dornen«. (Die weiße Lilie steht für die Reinheit, die Jungfräulichkeit Mariens.) Ein noch speziellerer Bildtypus jener Zeit ist die »Madonna im Rosenhag«.
    Die Malerei der Blumenstillleben, die genau in dem Moment in der frühen Neuzeit einsetzt, als auch das botanische Interesseerwacht, vereinigt dann beides: genaue Kenntnis der komplexen Symbolik mit lebendigem Interesse am Natürlichen und Ästhetischen, das mit höchster malerischer Raffinesse wiederzugeben ein Anliegen der Malkunst wird.
    Die Symbolik der roten Rosen geht wohl zurück auf die Antike. Rosen waren ein Attribut der Liebesgöttin Aphrodite. Die Verknüpfungen der Naturwelt mit der Symbolwelt waren nie ganz willkürlich. Vielleicht ergab sich die Verbindung hier konkret durch den intensiven, betörenden, verführerischen Duft mit einem gewissen libidinösen Anreiz: eine aphrodisische Wirkung. Auf die Wirkung kam es an und auf die glühend rote Farbe. Diese Sprache der Blumen versteht auch heute noch jeder in unserem Kulturkreis. Gerade die Rose zeigt aber auch, wie kontext- und kulturbezogen die Zusammenhänge sind: Im Buddhismus genießen Rosen wegen ihrer Stacheln keine Wertschätzung.
    Womöglich zurückgehend auf jüdische Traditionen konnte die Rose im Mittelalter im vergeistigten, christlichen Sinn der Nächstenliebe ihre aus der Antike herrührende Bedeutung bewahren und zum Paradies- und Mariensymbol werden.
    Den herben Bruch mit dieser Symboltradition markiert der berühmte Aphorismus von Gertrude Stein, einer der Schlüsselfiguren der literarischen und künstlerischen Moderne in den Jahren zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg: » A rose is a rose is a rose. « Das ist eine radikale Absage an die Befrachtung jeglicher Gegenstände aus der Natur oder sonstigen Dingwelt mit Symbolik, Inhalten, literarischer oder künstlerischer Bedeutung jeder Art. Man soll sie sehen als das, was sie ist: Eine Rose ist eben nichts als eine Rose. Punkt. Stein nahm für ihre ernüchternde Aussage die Rose, weil das einerseits ein sehr vertrauter, sehr alltäglicher, völlig unschuldiger Naturgegenstand war, andererseits eben seit jeher ein besonders komplexes Symbol. Dieser Satz von der Rose markiert das Ende jener poetischen Zauberkräfte, mit denen man seit den Erkenntnissen der chemischen und physikalischen Wissenschaftenleben muss, auch wenn es da und dort noch Symbol-Neuschöpfungen gibt, die meist an die alten Symboliken anknüpfen. So wurde die unter tragischen Umständen verunglückte Prinzessin Diana bei ihrem Staatsbegräbnis 1997 von ihrem Freund Elton John als England’s rose besungen.
    Die gefüllten Kulturrosen, insbesondere die Damaszener-Rose, gelangten in der Kreuzfahrerzeit aus dem Orient nach Europa. Bei allen europäischen Rosen gibt es jedoch keine züchterische Kontinuität mit den Rosen der Antike, sei es in Griechenland oder in Persien. Sie lassen sich nicht weiter als bis etwa 1400 zurückverfolgen. Auch wenn es bereits seit dem Spätmittelalter und der Renaissance Rosengärten gab, setzte die Rosenzucht in größerem Umfang erst in der Barockzeit ein, als man um 1750 einige asiatische Sorten nach Europa brachte.
    Den ganz großen Durchbruch verdankt die Rosenkultur in Europa der ersten Napoleon-Gattin, Kaiserin Joséphine. Während Napoleon in Ägypten war, erwarb sie 1799 mit einer geliehenen Anzahlung Schloss

Weitere Kostenlose Bücher