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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Jurastudiums an verschiedenen europäischen Universitäten für Botanik begeistert und war von 1573 bis 1576 Hofbotaniker Kaiser Maximilians II . in Wien, des Nachfolgers von Kaiser Ferdinand, danach in adeligem Dienst in Österreich und in Frankfurt, bevor er 1593 Botanik-Professor an der Universität Leiden wurde. In Leiden richtete er den Botanischen Garten der neugegründeten Universität ein. Auch bei der Verbreitung der Rosskastanie und der Kartoffel spielte Clusius eine maßgebliche Rolle.
    Gelehrte wie er unterhielten ein Netzwerk von Kontakten und Korrespondenzen mit Humanisten in ganz Europa. Die Botaniker unter ihnen tauschten Samen, Zwiebeln und ganze Pflanzen aus. Selbstverständlich zog Clusius in Leiden auch Tulpen und versandte Tulpenzwiebeln.
    Eine erste Spekulationswelle mit Tulpen gab es bereits um 1610 in Frankreich. Keine hundert Jahre dauerte es seit dem Bekanntwerden dieser für Europa völlig neuartigen Zierpflanze, als sich um 1625 in den damals sehr wohlhabenden Niederlanden eine der aufsehenerregendsten Wirtschaftsspekulationen um eine Pflanze ereignete, die es je gab.
    Zu den Gelehrtenkreisen um Clusius gehörten nicht nur Botaniker. Pflanzen und vor allem möglichst exotische Pflanzen zu sammeln und zu züchten war eine verbreitete Liebhaberei in Humanistenkreisen. Fürsten und Adelige, Gelehrte und wohlhabende Bürger wie Apotheker, Ärzte und Notare beteiligten sich daran. Botanisches Wissen stand, auf antiken Traditionen fußend, in Europa das ganze Mittelalter hindurch und in der frühen Neuzeit in hohem Ansehen. Jedes Kloster hatte bekanntlich seinen Kräutergarten, Kräuterbücher wurden immer wieder abgeschrieben und neu geschrieben – diese Wissenspflege war sehr weit verbreitet. Heute steht vor allem der Name der Hildegard von Bingen für diese große Tradition. Ein wesentlicher Grund dafür war die tatsächliche, vermutete oder zugeschriebene Heilwirkung von Pflanzen – in Zeiten, in denen es kein einziges »chemisches« Heilmittel gab und wirklich fundiertes medizinisches Wissen noch eine Utopie für viele Jahrhunderte blieb. Krankheiten waren ein Rätsel, oftmals als »Strafe Gottes« angesehen, und die Menschen waren ihnen hilflos ausgeliefert. Jedes Wissen um eine schmerzlindernde Wirkung oder einen therapeutischen Effekt war daher hochwillkommen, und dieses wertvolle Wissen wurde dementsprechend gepflegt.
    Der neu entdeckte, ganz erstaunliche Pflanzenkosmos aus der Neuen Welt und dem Orient beflügelte die althergebrachte botanische »Wissenschaft«, nunmehr gepaart mit einer neuen, rationaleren geistigen Hinwendung zur Natur. Die ersten Botanischen Gärten entstanden bezeichnenderweise oft angelehnt an die Medizinischen Fakultäten von Universitäten, wo man die Pflanzen »studieren« wollte.
    Übrigens fällt das Aufkommen des in der Malkunst völlig neuen und zu recht populären und viel bewunderten Genres der Blumenstillleben genau in diese Zeit. Die mit einer komplexen Symbolik befrachteten Bilder transportierten neben dem hohen ästhetischen Reiz einen ganzen geistigen Weltkosmos, was mit dem Gelehrtentum des Humanismus aufs Engste zusammenhängt. Allerdings fehlen gerade bei der Tulpe solche symbolischen Bezüge. Als sie in den Gesichtskreis der Europäer gelangte, war die Zeit des symbolischen Denkens, mit dem die Menschen seit der frühen Antike die Naturwelt befrachtet hatten, vorbei. Die tradierten Symbolinhalte gehörten zwar zum kulturellen Erbe, die neuen Pflanzen waren jedoch eher interessante Exoten, Gegenstand der Neugier und eines gewissen botanischen Interesses. Keine dieser Pflanzen aus der Neuen Welt oder aus dem Orient wurden Gegenstand komplexer Symbolik wie etwa die Rose.
    Überdies gehörten sorgfältig gepflegte und abgezirkelte Gärten spätestens seit der Renaissance zum adeligen Lebens- und Repräsentationsstil. Clusius’ erster Arbeitgeber Maximilian II . war einer der Vorreiter in Mitteleuropa. Diese Gartenkunst wurde in bürgerlichen Kreisen nachgeahmt, das Interesse an seltenen Pflanzen zog weite Kreise. Aber man konnte die Pflanzen damals nicht an jeder Ecke im Blumenladen kaufen, sie waren seltene Raritäten, kostbare Sammlerstücke, Prestigeobjekte zumal mit dem Reiz des sensationell Neuen. Die immer noch raren Tulpenzwiebeln wurden immer begehrter – und teurer. Vor allem, wenn überraschende Form- und Farbwechsel oder mehrfarbige, geflammte, gestreifte oder gesprenkelte Sorten auftraten. Diese erhielten erhabene Namen wie

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