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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Angebotspalette sollte das Geschäft profitabler machen. Neue Pflanzen wuchsen jedoch nicht so einfach aus Englands gesegneten Böden. Daher verfiel er auf eine Art neue Geschäftsidee: Geschulte Gärtner sollten in seinem Auftrag auf anderen Kontinenten nach neuen Pflanzen suchen und diese nach England bringen.
    Die ersten dieser Pflanzensammler für Veitch and Sons waren William (seit 1840 in Südamerika) und Thomas Lobb (seit 1843in Fernost). Die Liste der von den Brüdern gefundenen und von verschiedenen Reisen nach England gebrachten Pflanzen ist endlos lang, darunter finden sich natürlich auch Orchideen. (William Lobb brachte zum Beispiel die Araukarie aus Chile und den Riesenmammutbaum Sequoia aus Nordamerika.)
    David Burke reiste im Auftrag von Veitch and Sons nach Borneo, Südamerika, in die Philippinen und Indien, zunächst zusammen mit Charles Curtis. Er entdeckte jeweils reichlich Orchideen und andere, auch fleischfressende Pflanzen und wurde selbst auf seiner letzten Reise zu den Molukken (heute Indonesien) auf der Insel Ambon von Kopfjägern verspeist. Außer den Brüdern Lobb hat niemand derart lange Reisen auf der Pflanzensuche für Veitch unternommen.
    Dies sind beispielhaft nur drei von Dutzenden von Pflanzenjägern, die auch für andere Betriebe unterwegs waren.
    James Veitch junior machte seinen Familienbetrieb damit zur größten Gärtnerei und Baumschule Europas. Die Firma kultivierte bis zum Ersten Weltkrieg über 200 Orchideen und insgesamt annähernd 1.300 Wildpflanzen teilweise sehr exotischer Herkunft für den Gartenanbau in der westlichen Welt. Nachdem die frühe Kolonialzeit den bekanntesten Schub an neuen Nutzpflanzen aus der Neuen Welt und aus Asien gebracht hatte, war diese »gezielte Entdeckung« gärtnerisch nutzbarer Pflanzen die bemerkenswerteste Leistung des 19. Jahrhunderts in der Geschichte der kulturellen Pflanzennutzung.
    Die Firma Veitch, die nicht nur Orchideen, sondern eine breite Palette von Pflanzen und Bäumen anbot, war natürlich nicht der einzige bedeutende Gärtnereibetrieb in England. Eine führende Rolle speziell für die Orchideenzucht gewann die von dem Deutschen Heinrich Friedrich (in England: Frederik) Sander aus Bremen 1881 begründete gleichnamige Gärtnerei in St. Albans, nördlich von London. Sander, der sich auch als Forscher verstand, wurde später durch ein extrem großformatiges, aufwendig illustriertes Foliowerk in vier Bänden bekannt, mit dem berauschenden Titel Reichenbachia , in Referenz an einen berühmten Hamburger Orchideeologen seiner Zeit.
    Ende des 19. Jahrhunderts waren allein für die Firma Sanders über 20 Sammler im Einsatz. Sander, der selbst Europa nie verließ, beschäftigte überwiegend Deutsche, junge, ledige Globetrotter, sei es auf der Gehaltsliste, sei es als Freiberufler. Es waren unbürgerliche, naturromantische, abenteuerlustige Aussteiger ihrer Zeit. Seine bekanntesten Pflanzenjäger waren der Sachse Wilhelm Micholitz und der Tscheche Benedikt Roezl. Micholitz arbeitete nur für Sander und unternahm ab 1884 eine ganze Reihe von Reisen nach Südostasien, im Jahr 1900 in Südamerika.
    Benedikt Roezl war zu seiner Zeit der berühmteste Orchideensammler. Er war bereits seit 1854 auf einer Vielzahl von Reisen in Nord- und vor allem Südamerika unterwegs und entdeckte über 800 Arten neuer Pflanzen, insbesondere Orchideen. Das meiste davon schickte er an Sander, den er um 1870 kennengelernt hatte und der sich sehr erfolgreich um die Vermarktung kümmerte. Sander & Co. betrieb auf dem riesigen Gelände in St. Albans nach und nach 60 Treibhäuser und wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts die erste Adresse des Orchideenhandels in Europa, wo auch gekrönte Häupter persönlich nach seltenen und spektakulären Pflanzen Ausschau hielten. Sander selbst galt als der »Orchideenkönig«.
    Ein weiterer deutscher Großentdecker und Pflanzenjäger war Gustav Wallis aus Lüneburg, der später ebenfalls für Veitch and Sons arbeitete. Er entdeckte über 1000 Arten. Wallis war von Geburt an taubstumm, lernte dann aber sprechen und beherrschte sogar Fremdsprachen. Zunächst arbeitete er für die Brüsseler Orchideenfirma von Jean Linden, der als einer der Väter der Orchideenforschung gilt. Linden war als junger Mann im Auftrag der belgischen Regierung selbst als Pflanzenforscher in Südamerika gewesen und dort zeitweilig zusammen mit Alexander von Humboldt gereist. Er baute in Brüssel eine weltberühmte Orchideensammlung auf, verkaufte in ganz

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