Die Weltgeschichte der Pflanzen
noch nicht bekannt, sondern kamen erst in osmanischer Zeit hier an. Die Perser waren die Ersten, die Wildtulpen, die auch am Mittelmeer vorkommen, zur Gartentulpe züchteten, und die Türken übernahmen sie als Kulturpflanze. Die Türken waren große Blumenfreunde und Gartenliebhaber. Über sie gelangten neben den Tulpen auch Hyazinthe, Flieder und die Rosskastanie nach Europa. Während der europäischen Frührenaissance hatten die Türken unter der Führung ihres osmanischen Herrscherhauses 1453 mit der Einnahme von Konstantinopel einen triumphalen Höhepunkt ihrer zweihundertfünfzigjährigen Expansion von Kleinasien auf den Balkan erreicht. Ein offizielles Porträt Mehmeds II ., des Eroberers von Konstantinopel, zeigt den Sultan, wie er an einer Blume riecht. Kein europäischer Herrscher hätte sich so darstellen lassen. Diese Art der Porträtierung hat bei den Osmanen Tradition; auch andere Sultane sind so gemalt worden.
Erste Tulpenexemplare kamen vielleicht über den venezianischen Levantehandel in die Botanischen Gärten der Universität Padua. (Padua, nur 30 Kilometer westlich von Venedig gelegen, gehörte damals zu der Inselrepublik.) Dort hatte auch der flandrische Adelsspross Ogier de Busbecq (1522-1592) studiert, ein gelehrter Humanist und Diplomat. 1555 wurde Busbecq von Kaiser Ferdinand I . als Botschafter zum osmanischen Sultan Süleiman I . entsandt. Ferdinand, der Bruder Kaiser Karls V ., residierte in Wien und war derjenige, der wesentliche Teile des habsburgischen Kampfes gegen Martin Luther ausfocht. Trotz längerer Wartezeit auf eine Audienz wurde Busbecq von Süleiman kurzerhand abgewimmelt, erhielt jedoch, quasi als Trost für die nicht gewährte Audienz, einige Tulpen- und Hyazinthenzwiebeln sowie einige Fliederpflänzchen. Der Name der Tulpe erscheint dann erstmals nachweislich in einem Brief Busbecqs vom 1. September 1555. Das ist sozusagen die europäische Taufurkunde der Pflanze.
Dem Namen nach ist die Tulpe die »Turban«-Pflanze. Denn als sie während der Spätrenaissance um 1550 erstmals in Italien im europäischen Horizont auftauchte, wurde sie dort als tulipan oder tulipa bezeichnet, abgeleitet von dem türkischen und persischen Wort tülbend und dülband für den »Turban«. Das ist, wohlgemerkt, eine europäische Namensgebung, denn im Türkischen wie im Persischen werden die Tulpen ganz anders genannt, nämlich lalé .
Zu Busbecq muss noch erwähnt werden, dass er, ganz nach Humanistenart, in Konstantinopel systematisch nach antiken lateinischen und griechischen Manuskripten suchte, die er erwarb und an die Wiener Hofbibliothek schickte. Der kostbarste Fund ist der berühmte Wiener Dioskurides , eines der schönsten und wichtigsten Bücher der Welt. In der eindrucksvoll illustrierten byzantinischen Handschrift werden ungefähr 500 (Heil-)Pflanzen von dem antiken Arzt Dioskurides aus dem ersten Jahrhundert genau beschrieben und abgebildet. Dioskurides war unter anderem Leibarzt der römischen Kaiser Claudius und Nero. Ein wesentlicher Teil des Heilwissens des Mittelalters und der Renaissance beruht auf diesem Buch mit dem Titel De Materia Medica . Dioskurides’ Pflanzenbuch war in vielen Abschriften im Umlauf, auch auf Türkisch und Arabisch. Im Orient wie im Abendland galt der griechische Arzt in römischenDiensten über 1500 Jahre lang, bis zum Beginn der modernen Naturwissenschaften, als die maßgebliche Autorität in Sachen Pflanzenheilkunde. Auf sein Sammelwerk gehen all die Kräuterhandbücher des Spätmittelalters und der Renaissance zurück. Der Wiener Dioskurides , die Prachthandschrift aus der Zeit Kaiser Justinians mit annähernd 500 großformatigen Pergamentblättern und fast 400 Abbildungen von Arzneipflanzen, befindet sich nach wie vor in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.
Tulpen gehören zu den Liliengewächsen. Allen Liliengewächsen gemeinsam ist die Zwiebel, ähnlich wie bei den weiter verwandten Lauchgewächsen. Die gestreiften und gefächerten Tulpen-Varianten, die dann während der Tulpenmanie sehr begehrt waren, gehen auf einen Befall mit einem Pflanzenvirus zurück, dem Mosaikvirus, der sehr leicht übertragen wird und dementsprechend häufig vorkommt. Auch andere Pflanzen werden davon befallen, aber nicht Tier und Mensch.
Gilt Busbecq als der Tulpenentdecker, so war ein anderer flandrischer humanistischer Gelehrter ihr wichtigster Verbreiter. Charles de L’Écluse (nach Humanistenart latinisiert zu Clusius) hatte sich während seines
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