Die Weltgeschichte der Pflanzen
Computerindustrie im 21. Jahrhundert.
Für die Gewürze, das andere wichtige Welthandelsgut jener Zeit, waren die Märkte anders organisiert, denn hier war Europa ein reiner Importeur; man konnte sie nicht selbst »herstellen«. Tuche waren dagegen das erste europäische Wirtschaftsgut, das über den Eigenbedarf hinaus in größerem Stil systematisch »für den Markt« produziert wurde. Händler organisierten dafür einen Verbund von handwerklich, ja geradezu häuslich betriebenen Webereien. Sie belieferten die kleinen Hauswebereien mit dem Rohstoff, diese produzierten sozusagen im Auftrag, also keinen Eigenbedarf, sondern von Anfang an nur »Überschuss«. Die Händler holten die fertige Ware ab und sorgten für den »Vertrieb« – im Mittelalter klassischerweise auf Messen. Textilien eignen sich auch deshalb gut als Handelsware, weil sie leicht zu transportieren sind. Das war das Grundmuster.
Namhafte Händlerfamilien wie die Fugger, die Welser und die Medici begründeten darauf ihren immensen Reichtum und sind so zu den Global Playern der frühen Neuzeit aufgestiegen.
Ergeben hatte sich diese neue Wirtschaftsweise durch die tiefgreifende Modernisierung des Mittelalters im Zusammenhang mit dem Aufkommen und Aufblühen der Städte ab dem 11. Jahrhundert. Das »Mittelalter« ist keineswegs ein monolithischer Epochenblock wie die historische Grobeinteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit suggeriert. Mit dem Aufkommen der Städte verwandelte sich das vorher durchgehend von der ländlichen Subsistenzwirtschaft geprägte, feudale Europa zu einem dynamischen Wirtschaftsgebiet. Vorher produzierten Bauern, Grundherren und – nicht zu vergessen – Klöster im Prinzip nur für den Eigenbedarf. Zufällig entstandene Überschüsse wurden auf lokalen oder allenfalls regionalen Märkten verkauft. Nun wurden von vornherein gegen Bezahlung Überschüsse produziert, in erster Linie eben die Handelsware Tuch. Dadurch wurde Bekleidung erstmals aus ihrem rein funktionalen Zusammenhang (Schutz gegen Kälte, Bedecken der Blöße) gelöst und zu einem Modeartikel. Der »internationale« Markt jener Zeit war Europa. Bis zum Aufkommen der Baumwollproduktion im 18. Jahrhundert in England war das Textilgewerbe kein globales Geschäft – abgesehen von dem Luxusgut Seide.
Gleichwohl wurden die ganz reichen Textilunternehmer in der Renaissance tatsächlich zu Global Playern, denn sie investierten ihr Geld in allerlei Unternehmungen von wirklich internationalem Zuschnitt: in politische und koloniale Abenteuer.
Vor der Erfindung der Kunstfasern waren die wichtigsten Ausgangsstoffe für Gewebe Wolle, Seide, Flachs und Baumwolle. Wolle und Seide werden von Tieren »erzeugt« (Leder und Pelze sind natürlich auch tierische »Produkte«). Zur Fuggerzeit machte der Anteil von Flachs an der Textilproduktion etwa 20 Prozent aus. Fast der ganze Rest war Wolle. Die luxuriöse Seidenproduktion in Europa betrug nur wenige Prozent.
Die älteste in den antiken Kulturen und in Europa dominierende Gewebepflanze ist Flachs. Textilfaserfunde von Flachs und Brennnessel, auch gefärbte, gibt es bereits aus der Steinzeit (vor circa 30000 Jahren), also schon aus der Epoche der frühen Höhlenmalereien (zum Beispiel in der Grotte Chauvet oder der Grotte Cosquer). Man kennt auch Venusfigurinen mit »Röcken« und »Gürteln«.
Das Weben ist zwar nicht so alt wie die Menschheit, aber zusammen mit der Lehmziegelherstellung, dem Korbflechten und dem Töpfern zählt es zu den sehr frühen handwerklichen Tätigkeiten. In der ältesten bekannten Großsiedlung, der Jungsteinzeitanlage Çatal Höyük in Südanatolien (um 7500 v. Chr.), fanden sich unter anderem Textilreste, aber noch keine Keramik. (Die dortige Tempelanlage ist sogar noch einmal 2000 Jahre älter – und all das Tausende von Jahren vor den Pyramiden!). Auch in Mittelamerika gibt es solche alten Textilfunde – dort aus Baumwolle (siehe das Kapitel »Baumwolle«). Handwerklich besonders kunstvoll gefertigte Stoffe waren sicher auch schon ganz früh als Einzelstücke oder in kleinen Mengen ein Handelsgut in allen Kulturen.
Andere sehr alte Textilfunde stammen vom Toten Meer. Auch die Mumienbinden in Ägypten bestanden aus Leinen. Die ägyptischen Moden sind aus zahllosen Wandmalereien bekannt. Berühmt sind die hauchfeinen, geradezu durchsichtigen Hofgewänder der Echnaton-Zeit (um 1350 v. Chr.). Die bronzezeitlichen Kulturen Mesopotamiens verfügten ebenfalls über eine hochentwickelte
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