Die Weltgeschichte der Pflanzen
(Weitere bedeutende Leinen-Gebiete waren Flandern und Holland und in Deutschland insbesondere Westfalen und Schlesien). Die Fuggergehörten seit 1367 der Weberzunft Augsburgs an, setzten sich aber alsbald nicht mehr selbst an den Webstuhl, sondern betätigten sich hauptsächlich im Textilhandel. Abweichend vom heutigen Sprachgebrauch bezeichnete man dieses Produktionssystem als »Verlag«. Das Wort kommt von »vorlegen«: Der mittelalterliche und frühneuzeitliche Unternehmer kaufte den Rohstoff, bezahlte den Handwerker, finanzierte ihm vielleicht sogar das Arbeitsgerät, hier also den Webstuhl, und bezog von ihm die fertige Ware, die er dann verkaufte. Er finanzierte die gesamte Produktion vor. Das wurde auch mit ganz anderen Handelswaren so gemacht, weshalb man zum Beispiel gelegentlich noch etwas altmodisch vom »Bierverlag« spricht.
Der mittelalterliche Verleger kaufte dem Weber also keine Waren ab, die dieser auf eigene Faust hergestellt hatte, und er holte sich die Weber auch nicht in eigene Fabrikationsgebäude, wo diese als Arbeiter an den Geräten und Maschinen standen, wie es in der modernen Industrieproduktion der Fall ist. Die Verarbeitung des Rohstoffs leistete der Weber im Auftrag des Verlegers bei sich zu Hause. Diese Hausindustrie war typisch, gerade für die Tuchherstellung.
Leinenanbau gab es überall, es wurde natürlich auch viel für den regionalen Bedarf produziert. So wie man heute im Frühsommer die leuchtend gelben, blühenden Rapsfelder sieht, so waren die blauen Leinfelder ein allgegenwärtiger Anblick. Wo Leinanbau intensiver betrieben wurde, wurde auch das Weben intensiver betrieben. Die Schwäbische Alb war solch ein Schwerpunktgebiet.
Ihre Gewinne investierten die Fugger auch in andere »Branchen«, etwa in den Südtiroler Bergbau und ins Finanzgewerbe. So stiegen diese ursprünglichen Leinen- und Wollweber ganz ähnlich wie die Medici zu Finanziers von Kaisern und Päpsten auf. Das bekannteste politische Geschäft der Fugger ist die Finanzierung der Kaiserwahl Karls V . Der noch nicht einmal 20-jährige Karl musste den Kurfürsten hohe Bestechungsgelder zahlen, um seinen Konkurrenten, König Franz von Frankreich, der sich ebenfalls um die Krone des Heiligen Römischen Reiches beworben hatte, auszustechen. Nur als Kunstmäzene haben die Fugger nicht so viel getan wie die Medici. Ihr Name ist daher zwar kein Weltbegriff, in Deutschland aber immerhin ein Inbegriff für Reichtum. Andererseits geht der älteste bestehende soziale Wohnungsbau auf Jakob Fugger »den Reichen« (1459-1525) zurück, eine Stiftung in Augsburg, die nach wie vor bewohnt wird und nach wie vor zum Mietpreis von 1521. Die Anlage bot den für sie bestimmten vorübergehend einkommenslosen Handwerkern einen für ihre Schicht und die damalige Zeit beispiellosen Komfort. So etwas haben wiederum die Medici nicht gemacht, die lieber eindrucksvolle Paläste bauten. Was einem Medici sein Medici-Palast oder seine Medici-Villa, ist einem Fugger seine Fuggerei.
Auch die Welser, die andere berühmte, wohlhabende und einflussreiche Augsburger Unternehmerfamilie der Renaissance, hatten als Barchent-Händler angefangen. Barchent ist ein nicht mehr gebräuchliches Wort für Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen. Dann investierten sie gleichfalls in Handel, Bergbau und Geldverleih. Sie verschmähten auch nicht den profitablen Safranhandel (siehe das Kapitel »Safran«). Fugger, Welser und andere »Großhändler« waren wie ein moderner Konzern mit Niederlassungen in ganz Europa vertreten, von Köln bis Lissabon. Ein von den Welsern beauftragter Kaufmann fuhr schon kurz nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien 1505/1506 auf einem portugiesischen Schiff mit nach Kalikut. Ab 1528 waren die Welser als Konquistadoren und Kolonialherren in der Karibik engagiert; sie betrieben Zuckerplantagen, waren im Sklavenhandel tätig und hatten faktisch die Herrschaft in Venezuela inne. Auf einer Expedition ins Landesinnere verlor Bartholomäus Welser sein Leben. Es war das bedeutendste deutsche Kolonialengagement in den Jahren, die auf die Entdeckung Amerikas folgten. Ähnlich wie die Fugger wurden die Welser durch die Staatsbankrotte ihrer größten Schuldner, derKronen Habsburg-Österreichs, Habsburg-Spaniens und Frankreichs in den Ruin getrieben.
All das verdankten die Fugger und Welser und viele andere bedeutende Händlerfamilien in Deutschland wie im übrigen Europa der frühmodernen Textilindustrie. Textilien blieben noch lange ein
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