Die Weltgeschichte der Pflanzen
Textilindustrie einschließlich des Färbens der Stoffe. Assyrer, Babylonier, Phönizier, später die Perser und Araber konnten schon im Altertum ihre feinen, begehrten Stoffe »exportieren«. Ihr Wohlstand gründet sich zu einem Gutteil darauf. Legendär sind die Purpurgewänder mit dem exklusiven Farbstoff aus der Purpurschnecke, der an der phönizischen Mittelmeerküste gewonnen wurde. Togen mit Purpurstreifen waren in Rom nur den Senatoren vorbehalten, und nur die römischen und später die byzantinischen Kaiser trugen durchgefärbte Purpurgewänder.
Die bereits in der Jungsteinzeit entwickelten Gewichtswebstühle wurden bis ins Mittelalter verwendet. Man schätzt, dass sie schon vor rund 10000 Jahren in Gebrauch waren, zuerst im Vorderen Orient. Das älteste Gewebe der Welt war Leinen, und das für sehr lange Zeit. Inder und Indianer webten natürlich ebenfalls aus ihrer jeweils einheimischen Baumwolle, doch Belege für Wollverarbeitung gibt es erst seit etwa 3000 v. Chr.
Gemeinsam mit der ersten Ackerbaukultur in Mitteleuropa, den Bandkeramikern ab circa 5500 v. Chr., sind Weberei und Keramik in Mitteleuropa nachgewiesen. Alle diese Fertigkeiten waren Teil der Neolithischen Revolution und demzufolge Bestandteil dieses Kulturtransfers. Die späteren Germanen woben sowohl Leinen als auch Wolle. Seit dem Altertum wurde besonders fest gewebtes Leinen für Schiffssegel verwendet.
»Flachs« kommt von »flechten« – womit der ganze Verarbeitungsvorgang der Pflanze im Wesentlichen bereits an der Wortwurzel bündig beschrieben wäre. Pflanzenfasern mühsam zusammenzuflechten darf man sich getrost als die uranfänglichste Methode der Gewebeherstellung bei den Steinzeitmenschen vorstellen. Bereits das Wort »weben«, verwandt mit »wimmeln«, verweist auf die Verwendung eines Webrahmens oder Webstuhls: Hier gehen schon die Fäden hin und her – sie »wimmeln«.
Das heute eher gebräuchliche synonyme Wort »Leinen« (für das Produkt) und »Lein« (für die Pflanze) stammt von griechisch línon und lateinisch linum ; wegen des hohen Alters des Flachsanbaus könnte diese Wortform sogar aus einer älteren, nicht-indoeuropäischen Sprache stammen.
»Leinwand«, ein in diesem Zusammenhang ebenfalls häufig gebrauchter Begriff für die gewebte Stoffbahn, ist keine Wand aus Leinen (wie im Kino), sondern der zweite Wortteil stellt sich vielmehr zu »Gewand«, dem älteren Wort für die festliche Bekleidung.
»Textil« stammt von dem lateinischen Wort für weben: texere . Davon leitet sich nicht nur »Textilien« ab, sondern auch »Text«. Die Verknüpfung von geschriebenen Wörtern zu einem Satz oder zu mehreren Sätzen ist also ein »Sprachgewebe«. Das lateinische Wort ist überdies eng verwandt mit techné , dem griechischen Begriff für jegliche handwerkliche Kunstfertigkeit, von dem sich wiederum das moderne »Technik« ableitet. So gesehen ist die Leinenweberei tatsächlich die älteste – oder zumindest eine der ältesten – Techniken der Welt.
Leingewächse bilden eine eigene Pflanzenfamilie mit vielen Arten, die auf der ganzen Welt vorkommen. Aber nur eine, der blaublühende Gemeine Lein, wird als Kulturpflanze verwendet. Sie stammt aus dem Mittelmeerraum. Linum bietet zwei Verwendungsmöglichkeiten: Die Gewinnung des Leinöls aus den Leinsamen, die man bekanntlich auch essen kann. Leinöl war früher die Grundlage für die Ölfarben in der Malerei; manche Maler verwenden ihn auch noch dafür. Und dann natürlich die Verwendung der Stängel als Pflanzenfaser. Anders als bei der Baumwolle, die aus den Samenkapseln gewonnen wird, bilden die Faserbündel der Stängel bereits einen gerichteten Bast. (Für die Pflanze besteht die Funktion darin, sie aufrecht zu halten.)
Lein benötigt keine anspruchsvollen Böden. Kurz vor der Vollreife werden die Pflanzen »gerauft« (mit den Wurzeln aus der Erde gezogen), also nicht gemäht, damit die Faser nicht zerstört wird. Anschließend lässt man sie einige Zeit auf den Feldern liegen zur sogenannten Tauröste; so verfährt man auch bei anderen Pflanzen, die zu Fasern verarbeitet werden. Dadurch werden die Stängel auf natürliche Weise »aufgeschlossen«, die Bastfasern gelöst.
Danach wird das Leinstroh geschwungen, um Langfasern von Kurzfasern zu trennen. Die Kurzfasern, der sogenannte Werg, wird bei der Herstellung hochwertiger Papiere und als Füllmaterial für Polster verwendet.
Bei den Langfasern folgt nun das aus der Umgangssprache bekannte Hecheln.
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