Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
Vom Netzwerk:
Zugpferd der Weltwirtschaft.
    Gerade die Fugger importierten darüber hinaus schon im großen Stil Baumwolle aus Italien, ließen sie von den schwäbischen Webern verarbeiten und kümmerten sich um den Weiterverkauf. Mit der Zunahme der Baumwollverarbeitung ging der sehr allmähliche Rückgang der Flachsverarbeitung einher. Als im 19. Jahrhundert die immer billiger werdende und industriell gewebte Baumwolle das absolut vorherrschende pflanzliche Gewebe in der Textilverarbeitung wurde, nahm die Leinenverarbeitung drastisch ab.
    Im 20. Jahrhundert wurde Leinen nur noch als feine Haushaltswäsche produziert, bis zum Zweiten Weltkrieg trug man Leinenanzüge und -kleider als leichte Sommerbekleidung; das kam nach dem Krieg fast völlig aus der Mode.
    Erst in jüngster Zeit wird Leinen als Naturfaser wiederentdeckt. Leinen kann sehr fein versponnen werden, es ist glatt, daher angenehm zu tragen, von Natur aus schmutzabweisend, wärmeausgleichend, strapazierfähig und reißfest, allerdings auch unelastisch, weswegen es so leicht knittert. Unter dem Diktat möglichst knitterfreier Moden war und ist Leinen zwar nicht besonders gefragt, aber gerade das ändert sich ein wenig und die Vorteile von Leinen werden zunehmend wieder erkannt. Gegenüber der billigen Baumwolle wird es aber wohl nie mehr seine frühere Bedeutung erlangen können und eher ein Luxusgut bleiben.
    Die führenden Modeländer Frankreich und Italien sind nicht gerade führende Anbauländer für Leinen. 70 Prozent der heutigen Weltproduktion kommt aus Russland unter Einschluss von GUS -Staaten, ein nennenswerter Rest noch aus Tschechien, der Slowakei und Polen.
    Die Baumwolle hat also die Nachfolge des Leinens als überragend wichtiger Gewebepflanze angetreten. Dadurch ist keineswegs ein Rückgang der Bedeutung der Textilindustrie eingetreten – im Gegenteil. Die Baumwolle schuf sich einen riesigen Markt, und angesichts der Massen von Textilien, die in der Gegenwart produziert werden, wird sich der Textilmarkt auch künftig ausweiten. Eisen und Stahl, Autos und Computer waren zu ihrer Zeit New Economy, deshalb kam ihnen der Status einer das jeweilige Jahrhundert prägenden Leitindustrie zu.
    Die Textilindustrie ist so lebendig wie eh und je, wovon Karl Lagerfeld heutzutage sicher das Hohelied singen könnte. Man sieht es nicht nur an den Haute-Couture-Boutiquen, sondern noch viel mehr an den unendlich vielen Kettenläden und Outlets, welche die Fußgängerzonen veröden. Angesichts der horrenden Mieten in diesen Eins-a-Lagen und des erbitterten Wettbewerbs um die Käufermassen mit Niedrigpreisen müssen auch heute im Textilgeschäft derart große Profite, wie diese schon die Medici und die Fugger reich gemacht haben, eingefahren werden.
    Am anderen Ende der Wertschöpfungskette stehen die Erzeuger. Heute sind es nicht mehr die Flachsbauern, die versklavten Baumwollpflücker, die sprichwörtlichen armen Weber oder Kinderarbeiter in den mills in Manchester, sondern die Näherinnen und Näher für die T-Shirts und die Massenware in den ärmsten Ländern: Made in Bangladesh . Die Textilindustrie ist ein vorzügliches Beispiel für die Doktrin der globalen Weltwirtschaft: Jedes Land produziert das, was es am besten kann. Der Beitrag dieser Länder zur Weltwirtschaft ist diejenige Ressource, über die sie im Überfluss verfügen: billige Arbeitskraft.

Auf der Reeperbahn …
Hanf
    Ebenso alt wie die Nutzung von Flachs als Gewebepflanze ist die des Hanfs. Der botanische Name Cannabis deutet auf seine weitere Verwendung als Heilpflanze und Droge. Im alten China und im Mittelalter wusste man um die schmerzstillende Wirkung der Blüten. Die eigentliche Haschisch- und Marihuana-Pflanze ist jedoch der Indische Hanf ( Cannabis indica ), eine verwandte Art. Innerhalb seiner Pflanzenfamilie ist Hanf außerdem eng verwandt mit dem Hopfen.
    Für Gewebe werden wie beim Flachs die Stängel des Hanfs für die Fasergewinnung bearbeitet. Die Hanfverarbeitung beginnt schon in der Frühzeit des alten China, aber auch die ersten Jeans von Levi Strauss wurden 1870 noch aus dem robusten Hanf gefertigt.
    Sein Ursprung liegt in einem Gebiet rund um den Himalaja. Man kann allerdings nicht mehr feststellen, ob er eher von den nördlichen Ausläufern zur kasachischen Steppe hin oder von den südlichen Ausläufern nach Nepal, Nordindien oder China hin stammt. In China, Indien und bei den mesopotamischen Sumerern waren Hanfanbau und Hanfverarbeitung schon vor Jahrtausenden bekannt, nach

Weitere Kostenlose Bücher