Die Weltgeschichte der Pflanzen
Europa gelangten diese Kenntnisse wohl erst um 500 v. Chr., wahrscheinlich durch die Skythen, das Nomadenvolk am Nordrand des Schwarzen Meeres.
Der Name der Pflanze ist nicht indoeuropäischen Ursprungs. Als älteste ermittelbare Form wird das sumerische kanibu vermutet. Eine Vorform, die kanabu oder kanabi gelautet haben mag, ging als Fremdwort etwa gleichzeitig, irgendwann um 500, sowohl ins Griechische als auch ins Germanische ein. Sicherlich gleichzeitig mit der Kenntnis des Hanfs. Im Griechischen wurde daraus kánnabis .
Um 500 v. Chr. spaltete sich die Entwicklung der germanischen Sprachen von den übrigen indogermanischen Sprachen ab. Wörter mit stimmlosem, »harten« Anlaut wurden in germanischen Sprachen stimmhaft, also »weicher«. Im Griechischen und Lateinischen blieben beispielsweise pus und pes , in den germanischen Sprachen wurde daraus »Fuß« (im Englischen foot ). Ganz analog blieb lateinisch piscis unverändert – im Deutschen und Englischen »Fisch«, fish . Das Wort »Hanf« ist in der Sprachwissenschaft ebenfalls ein Paradebeispiel für diese Lautverschiebung.
Der alte Pflanzenname kanabu oder kanibi wandelte sich zu althochdeutsch hanaf oder hanuf . Der stimmlose k-Anlaut wurde in den anderen germanischen Sprachen stimmhaft (Englisch: hemp ). Daraus kann man schließen, dass das Wort schon vor 500 direkt ins Deutsche gelangte und nicht erst in der Spätantike aus dem Griechischen und Lateinischen wie so viele andere Pflanzennamen. Das Griechische und Lateinische hätten den k-Anlaut weitergegeben und wir würden heute vielleicht eher »Kanf« oder »Kanab« sagen.
Hanf wurde also schon während der Zeit der klassischen Antike von Griechen, Kelten und Germanen angebaut. Aber für Bekleidung hatte Hanf, der gröber ist als Leinen, nicht die gleiche Bedeutung wie Flachs. Hanffasern sind wenig elastisch, dafür reißfest und haltbar. Ihre Hauptverwendung lag und liegt im gewerblichen Bereich, namentlich in der Seefahrt. Weil Hanffasern viel weniger Wasser aufnehmen als Leinwand oder gar Baumwolle, waren Hanfgewebe als Segeltuch sowie für Seile und Taue hervorragend geeignet – schon im alten China vor rund 5000 Jahren. Überdies würde Leinen bei längerem Kontakt mit Wasser verrotten, Hanf hingegen nicht.
In der großen Zeit der Segelschifffahrt spielte Hanf also als Industriegewebepflanze die Rolle, die Leinen als Textilgewebepflanze spielte. Der Anbau muss gewaltig gewesen sein, denn es wurdenUnmengen benötigt – und zwar bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Erst dann verarbeitete man mehr Pflanzenfasern aus den Tropen wie Manilahanf, Sisal und Jute. Kunststofffasern kamen erst im 20. Jahrhundert auf. Für große Segelschiffe wurden Dutzende von Tonnen Hanfgewebe benötigt; Segel mussten immer wieder erneuert werden. Hinzu kamen Tauwerk, Seile, Trossen, die teilweise Hunderte von Metern lang waren. Die Herstellung dicker, langer Taue, die aus mehreren Reepen verdrillt wurden, erforderte die Arbeit von mehreren hundert Reepschlägern auf den langen Reeperbahnen. Übrigens verdankte auch Venedig seine einzigartige Stellung gerade auch im Schiffsbau seiner hochentwickelten Seilerei.
Außerdem waren Hanfhadern ein unentbehrlicher und wesentlicher Rohstoff für die Papierproduktion. Für die Pulpe, den Papierbrei, benötigte man bis Mitte des 19. Jahrhunderts Hanf- und Leinenfasern, vor allem Hadern, die Lumpen dieser Gewebe. Abgenütztes Hanf- und Leinengewebe wurde so »recycelt«.
Die einzige Papierverarbeitung aus Hanf und Flachs, die sich bis in die Gegenwart gehalten hat, ist die Herstellung von – sehr dünnem – Zigarettenpapier.
Mit dem Beginn der Dampfschifffahrt und dem dadurch ausgelösten allmählichen Ende der Segelschifffahrt, mit der explosionsartigen Ausweitung der Baumwollindustrie und dem Ersatz der Hanftaue durch das billigere Sisal und Jute gingen Nutzung und Anbau von Hanf wie beim Leinen drastisch zurück. Sogar in dem hochwertigen Hadernpapier, wie man es für Banknoten, Wertpapiere, Briefmarken und Dokumente verwendet, ist kaum mehr Hanf oder Flachs enthalten. Moderne Hadernpapiere sind Mischungen aus Holz mit Jute- und Baumwollfasern.
Aus der Hanfpflanze lassen sich zwei Art von Ölen gewinnen: Die Samen presst man zu einem sehr fettreichen Öl, das in der jüngsten Vergangenheit vor allem in der Naturkosmetik wiederentdeckt wurde. Das ätherische Hanföl aus den Blättern ist ein Aromastoff für einige Lebensmittel, Parfüms und die
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