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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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nördlich der Alpen geradezu subtropisch gewesen, mit einer dementsprechenden Vielfalt der Pflanzen und Tierarten. Es hatte Magnolien und Mammutbäume gegeben. Walnuss und Buche kehrten nie mehr in Zwischenwarmzeiten nach Mitteleuropa zurück. (Ihr heutiges Vorhandensein verdankt sich menschlicher Einwirkung in frühhistorischer Zeit und während der Antike.) Die letzte große Eiszeitperiode, als schon längst die ersten modernen Menschen (Cro-Magnon) durch Europa zogen, war besonders grimmig gewesen.
    Das Ende der Eiszeit kam nicht abrupt, sondern in einem jahrhundertelangen ständig wechselnden Auf und Ab der Temperaturen. Auf den baumlosen Tundren breiteten sich zunächst Gräser und Kräuter sowie einige Zwergsträucher wie Wacholder, Schlehe und Sanddorn aus. Die ersten Baumarten waren Kiefer und Birke, deren leichte Samen vom Wind weit mitgetragen werden können – und der Haselstrauch, eine Gattung der Birkengewächse.
    Sie sind Pionierpflanzen. Man weiß um eine schlagartige Ausbreitung des Haselstrauches um 7000 v. Chr., also noch während der mittelsteinzeitlichen Jäger- und Sammler-Periode. Haselnüsse zählten zu jener Zeit zu den wenigen vorhandenen essbaren und zudem nahrhaften Früchten. Sie waren ein überragend wichtiges Grundnahrungsmittel für die kleinen und verstreut lebenden Menschengruppen im nordalpinen Europa lange vor dem Eintreffen der ersten sesshaften Ackerbauern. Möglicherweise haben schon die Jäger und Sammler Haselnüsse großflächig gesät oder die Sträucher gepflanzt, um ihre Nahrungsgrundlage zu verbreitern. Das wäre eine der frühesten Kultivierungen von Pflanzen und ebenso eine erste Umwandlung von urtümlicher Naturlandschaft in Kulturlandschaft. Wer diese Menschen gewesen sein könnten, die langevor allen Bandkeramikern und Megalith-Leuten an Weichsel, Oder, Donau, Elbe, Weser, Rhein und Maas unterwegs waren, – darüber gibt es nicht einmal Spekulationen.
    Die Haselnuss ist in der Tat eine echte Nuss, also ein von einer Schale umgebener einzelner Samenkern wie die Marone auch. (Wal nüsse und Mandeln sind hingegen Steinfrüchte.) Sie enthält viele Fette, Eiweiße, Kalzium, Eisen und Vitamine. Für die armselige Ernährung der kleinen Wildbeuter- Menschengruppen vor dem Beginn des Ackerbaus im Europa nördlich der Alpen war die Haselnuss daher extrem wichtig. Ohne Getreide war die Ernährungsbasis für sie sehr schmal.
    Das Wort »Hasel« ist indoeuropäisch nicht erklärbar, was angesichts des außerordentlich hohen Nutzungsalters nicht verwunderlich ist (Indoeuropäer gelangten ja erst Tausende von Jahren später nach Europa, sie dürften das Wort übernommen haben. Es ist folglich sehr, sehr alt.) Haselsträucher sind überall in den gemäßigten Breiten der nördlichen Halbkugel verbreitet. Die Mittelmeerländer, allen voran die Türkei (fünf Millionen Tonnen) sind Hauptlieferanten, gefolgt von Italien (Sizilien). Hierzulande ist der Ertrag aus klimatischen Gründen zu gering.
    Eine sehr verbreitete moderne Darreichungsform der – wie alle Nüsse sehr fetten – Haselnuss sind die außerordentlich beliebten Nuss-Nougat-Brotaufstriche.
Mandelbaum
    Mandeln sind botanisch gesehen Steinfrüchte, keine Nüsse. Sie gehören zur Gattung Prunus und sind verwandt mit Aprikose, Pfirsich, Pflaume und Kirsche.
    In Deutschland gedeihen Mandelbäume in den klimatisch begünstigten Weinanbaugebieten; die Mandelblüte (rosa-weiß) ist ein beliebtes Ausflugsziel für Busreisen. Die Römer hatten die Mandelbäume an den Rhein gebracht. Ihr Ursprung liegt im südmittelasiatischen Gürtel, der vom Nahen Osten bis nach Kasachstan reicht, also dort, wo heute turksprachige Völker leben.
    Der lateinisch-griechische Begriff amygdala beziehungsweise amygdale ist in diesen klassischen Sprachen ein Fremdwort unbekannter Herkunft; in der Spätantike wurde das offenbar als sperrig empfundene Fremdwort umgeprägt und an lateinisch amandus (lieblich) angelehnt. amydale zählt also, wie viele andere Pflanzennamen von Anis bis Zypresse, zu den sehr alten vorindoeuropäischen Mittelmeerwörtern unbekannter Herkunft.
    Wilde Mandeln sind ganz überwiegend Bittermandeln. Jedes Kind weiß, dass sie hochgiftig sind. Viele Wildpflanzen schützen sich mit bitter-giftigen Stoffen vor Fressfeinden. Die süßen Mandeln stammen von Mandelbäumen, die diesen Bitterstoff (Amygdalin) nicht bilden. Die Menschen im Fruchtbaren Halbmond müssen die seltenen Mutationen schon früh entdeckt und diese Variante

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