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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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verwendet, in erster Linie deshalb, weil man die Tinte nicht so leicht entfernen konnte. Es war also fälschungssicherer, auf Papier zu schreiben, statt auf Bambusstreifen, Holz oder Ähnlichem. So war es später auch im Nahen Osten, als Papier den Papyrus ablöste. Papyrus war relativ leicht abwaschbar, und auch von Pergament konnte man die Schrift abkratzen.
    Eine entscheidende technische Neuerung, die zwischen 300 und 600 entstand, war die Erfindung eines auswechselbaren Rahmens für das Sieb, mit dem das Blatt geschöpft wurde. Das beschleunigte die Herstellung erheblich. Nach 600 gelangte die Kenntnis von der Papierherstellung nach Japan, wo man sie ebenfalls weiterentwickelte.
    Zur Zeit der Tang-Dynastie, als China sich gewaltig nach Zentralasien ausdehnte, kam es dort zu Berührungen mit den ebenfalls gerade stark expandierenden Arabern und Persern. Die Araber hatten schon in den ersten Jahrzehnten nach dem Tod des Propheten (632) unter den ersten vier Kalifen den Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika erobert und rückten nun weiter nach Zentralasien vor. Kurz vor oder nach der Schlacht am Talas, bei der 751 das islamische Kalifat-Reich siegte, übernahmen die Muslime die Papierherstellung von den Chinesen. Die Schlacht am Talas war nicht nur für die Geschichte des Papiers von größter Bedeutung, weil damit das Geheimnis seiner Herstellung in den Westen gelangte, sondern auch, weil in der Folge die Turkvölker die islamische Religion und den arabisch-persischen Kultureinfluss übernahmen.
    Nun wurden (etwa zur Zeit Karls des Großen) in der kurz zuvor neu gegründeten, blühenden Hauptstadt der Abbasiden-Kalifen, in Bagdad, erste Papiermühlen errichtet. Rund 100 Papierhändler betrieben alsbald ihre Geschäfte in einem eigenen Suk, die man sich auch als frühe Form von Verlegern vorstellen kann, denn manche von ihnen waren selbst Schriftsteller und Gelehrte. Das Bagdad des Tausendundeine-Nacht -Herrschers Harun ar-Raschid war nicht nur das politische und Welthandelszentrum der islamischen Welt, sondern auch eine Gelehrtenmetropole. Hier wurden die philosophischen, mathematischen und medizinischen Werke der griechischen Antike ins Arabische übersetzt, das Rechnen mit den indisch-arabischen Zahlen mit der Null systematisiert und eben Papier hergestellt.
    Dank der Vermittlung der Araber übernahmen die Europäer während der Kreuzzugszeit neben der papierherstellerischen Kunstfertigkeit auch die gelehrten Texte von Aristoteles, Hippokrates und ihresgleichen sowie des arabischen Rechenmeisters Al-Chwarizmi, des »Vaters der Algebra«. Die Bedeutung dieses Kulturimports kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Die Philosophentexte hätte man vielleicht noch in der Renaissance kennengelernt, aber ohne Rechnen und Papier wäre die westlicheWelt nicht das, was sie heute ist. (Von der Verbreitung vieler wichtiger Pflanzen durch die Araber, vor allem dem Zuckerrohr, ist an anderer Stelle die Rede.)
    Die Europäer prägten den Begriff für das neue Material: Sie übertrugen die Bezeichnung für den altägyptischen Beschreibstoff aus dem Mark der Papyrusstaude, der ganz anders gewonnen wird, aber auf den ersten Blick ähnlich aussieht, auf die neue Schreibunterlage: Papier. Eine von dem Stauferkaiser Friedrich II . 1228 ausgestellte Urkunde ist eines der frühesten europäischen Papierdokumente. 1389 entstand in Nürnberg die erste Papiermühle Deutschlands; viele weitere folgten im darauffolgenden Jahrhundert. Papier war die Grundvoraussetzung für die Druckkunst durch Johannes Gutenberg (um 1450).
    Mit der Einführung der Papiermühlen wurde der Lumpensammler für Jahrhunderte zu einer neuen Figur im öffentlichen Bild der Städte. Er lief mit einem Pfeifchen ausgerüstet durch die Straßen, rief »Lumpen, Lumpen!« und sammelte die meistens stinkenden gebrauchten Alttextilien aus Leinen, Hanf, später auch aus Baumwolle. Mit steigender Rohstoffknappheit wurde dieses Gewerbe zwar ökonomisch immer wichtiger, aber es blieb im Sinne des Wortes anrüchig. »Haderlump« wurde früh zu einem Schimpfwort.
    In der Aufklärungszeit begann um 1700 das Papier wirklich knapp zu werden, da die Lumpensammler gar nicht genug Lumpen und Hadern für die Papierherstellung auftreiben konnten angesichts der ständig steigenden Nachfrage. Weil der Rohstoff so knapp war, gab es da und dort Ausfuhrverbote für Lumpen, oder Fürsten erteilten Privilegien zum Einsammeln – die regierungsamtliche Befassung mit dem Problem

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