Die Weltgeschichte der Pflanzen
der Alten Welt mit ähnlichem Klima vorkommen, dort aber nie eine besondere Bedeutung erlangten. Es gibt Olivenbäume sogar im tropischen und südlichen Afrika oder in Südasien, kein einziger davon wurde jedoch kultiviert. Anpflanzungen in der Neuzeit, etwa in Argentinien, Südafrika oder Australien, erwiesen sich als nicht erfolgreich. Der Ölbaum mit seinen Oliven ist und bleibt somit »die« Charakterpflanze des Mittelmeers schlechthin.
Zusammen mit Weinbeeren, Feigen und Datteln, den Getreiden und Hülsenfrüchten zählt Olea europea zu den ältesten kultivierten Pflanzen der Alten Welt. Der Olivenbaum war als Wildpflanze im gesamten Mittelmeerraum heimisch. Seine Kultivierung zählt zu den »Pionierleistungen« der frühen Ackerbauern im Fruchtbaren Halbmond. Hier boten die besonderen topografischen und klimatischen Bedingungen die Voraussetzungen für eine große Vielfalt von Pflanzen. Züchtungserfolge und Ausdehnung der Anbauflächen »belohnten« die Sesshaftigkeit und intensivierten wiederum die Pflanzennutzung – ein sich gegenseitig verstärkender Prozess.
Nachdem die Menschen und ihre Vorläufer sich über Hunderttausende von Jahren nur vom Sammeln von Früchten und Jagen von Tieren ernährt hatten, schufen sie sich mit dem Anbau von Pflanzen eine völlig neue Existenzgrundlage. Insofern kann man durchaus von einer »Revolution« sprechen, auch wenn sich die Umstellung auf die Sesshaftigkeit über einige Jahrtausende hinzog und man sich die Anfänge vor rund 10000 Jahren nur schwer vorzustellen vermag. Der australische Archäologe Vere Gordon Childe prägte 1936 den Begriff Neolithische Revolution in Anlehnung an »Industrielle Revolution« (die in der Tat viel schneller vonstatten ging). Eine große Zahl sehr verschiedener nutzbarer Pflanzen in einem vergleichsweise überschaubaren Gebiet war ein entscheidender Erfolgsfaktor für diese keineswegs selbstverständliche Entwicklung.
Die bewusste und gezielte Anpflanzung von Olivenbäumen mit größeren und ertragreicheren Früchten ist seit 4000 v. Chr. nachgewiesen. Die griechische Mythologie berichtet von der Übergabe der Pflanze durch Athene an die Griechen als besonderes Geschenk der Götter. Aber die Griechen wanderten selbst erst nach 1200 v. Chr. in den Ägäisraum ein. In Wirklichkeit übernahmen sie die damals bereits Jahrtausende alte Ölbaumkultur von den älteren orientalischen Hochkulturen im Nahen Osten. Es war also eher ein Geschenk des Orients an die Griechen – wie so viele Übernahmen praktischer und geistiger Art, welche die griechische Kultur bereicherten, von der Sternenkunde bis zur Schrift. Die mythologische Erzählung von Athene hebt den besonderen Nutzen und die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Olivenbaums deutlich hervor. »Athene« kam übrigens selbst aus dem Osten. Ihr Name und Kult sind dem Ursprung nach nicht griechisch. Die athenische Landschaft Attika war in der Antike ein sehr wichtiges Zentrum für den Anbau von Oliven. Athen verdankt dem Olivenöl viel von seinem Reichtum, denn sogar die Römer importierten am liebsten Attika-Öl. Der Löwenanteil ihrer Importe kam aber aus Nordafrika, aus dem heutigen Tunesien.
Ob in Kreta, Altägypten, Altassyrien – bei den ältesten Zivilisationen waren Oliven lange Zeit die einzige Frucht, aus der überhaupt Öl gewonnen wurde, und das Wort »Olive« bedeutet nichts anderes als »Öl«. Der Olivenbaum ist also der Ölbaum des Altertums und wird im älteren Deutsch der Bibel auch so bezeichnet.
Da die Olive in der Antike der einzige Öl- und damit auch Fettlieferant war, (vor allem im Mittelmeer, wo keine Butter hergestellt wurde), verwendete man das Öl nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch zur Hautpflege, als Grundlage für Salben, Heilmittel und ganz wichtig: zur Beleuchtung (Öllampen) und sogar als Schmiermittel, also für technische Anwendungen. Deshalb gab es während der ganzen Antike einen bedeutenden Fernhandel mit Öl.
Darüber hinaus hatte und hat Olivenöl eine enorme kultische Bedeutung. In der Antike wurde es mit wohlriechenden Essenzen und Harzen versetzt, um Altäre und Götterstatuen zu weihen. Diese Tradition setzte sich in den katholischen und orthodoxen Kirchen fort, wo etliche Sakramente mit Salböl gespendet werden. Den höchsten Rang solcher rituellen Ölanwendungen nehmen die Königssalbungen ein. Im Alten Testament wurde David als erster zum jüdischen König »gesalbt«. (Von einer Krönung ist nicht die Rede [2. Samuel 2, 4]). Diesem
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