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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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ursprünglich speziell für die Ernte erfand. Deshalb heißen die Zuckerrohrarbeiter auch Macheteros . Die Machete ist so konstruiert, dass sie mit viel Schwung eingesetzt werden kann, den die Arbeiter auch brauchen, um das harte Zuckerrohr zu durchtrennen. Das ist nach wie vor echte Knochenarbeit schlecht bezahlter Plantagenarbeiter. Außerdem besteht an den scharfkantigen Blättern ständig Verletzungsgefahr. Die Arbeiter, die bis zu 20 Tonnen pro Tag schneiden, werden nach dem Gewicht des von ihnen geernteten Zuckerrohrs bezahlt. Wie seit ältester Zeit bleibt die Zuckerrohrernte auch heute Pflanze für Pflanze Handarbeit, vor allem dort, wo Arbeitskräfte billig sind. Brauchbare Erntemaschinen gibt es erst seit den Siebzigerjahren.
    Der im Boden verbliebene Halmstumpf treibt alsbald neu aus, und binnen eines Jahres wächst eine neue Pflanze empor. Auf diese Weise kann eine Zuckerrohrpflanze vier- bis achtmal »abgeerntet« werden, gute Düngung vorausgesetzt. Auch für Neuanpflanzungen werden solche Stecklinge verwendet.
    Das aufwendige Verfahren der Zuckerraffination, also der Gewinnung von kristallinem Zucker, wurde vermutlich in der Buddha-Zeit (um 500 v.Chr.), vielleicht auch schon deutlich früher, in Indien erfunden. So lässt sich das Produkt der Zuckerrohrpflanze überhaupt erst transportfähig machen; was es zur interessanten Ware für den antiken Orienthandel der Perser und Araber machte. Die Griechen der Antike kannten Zucker vermutlich seit der Zeit Alexanders des Großen. Der berühmte Arzt Dioskurides erwähnt sakcharon im ersten Jahrhundert n. Chr. als Heilmittel. Die teure Importware wird in der Spätantike und im Frühmittelalter auchnur in kleinsten Mengen als Medizin verwendet. Um 650 bringen die Araber Zuckerpflanzen in die Levante. Zypern, das Nildelta und Andalusien werden im siebten Jahrhundert die ersten Anbaugebiete im Mittelmeer. Bereits um 1000 n. Chr. beherrscht Venedig den levantinisch-europäischen Zuckerhandel, der neben dem Geschäft mit dem Pfeffer den Reichtum der Markusrepublik begründet. Auch für die Kreuzfahrerstaaten war der Zuckerrohranbau auf Plantagen, mit dem Einsatz von Sklaven, eine wichtige Einnahmequelle. Noch im Spätmittelalter, als der erste Rohrzucker im 14. Jahrhundert endlich England und Skandinavien erreichte, wurden damit ausschließlich bittere Heiltränke gesüßt. Für den allgemeinen Gebrauch war er viel zu kostbar – im wahrsten Sinn des Wortes. Noch in der Renaissance galt Zucker allenfalls als luxuriöse Extravaganz.
    Erst durch die Ausweitung des Zuckerrohranbaus unter den günstigen klimatischen Bedingungen in der Karibik wurde Zucker aus einer im Mittelmeer immerhin heimisch gewordenen Rarität zunächst zu einer teuren, aber nun durchaus erhältlichen Kolonialware. Im Zusammenklang mit den drei sehr bedeutenden Getränken Kakao, Kaffee und Tee, die eigentlich alle bitter schmeckten und daher gerne gesüßt wurden, ergab sich in Europa eine völlig neue und nie gekannte Geschmackskultur, die bis in die Gegenwart unseren Alltag bestimmt.
    Zur Kolumbus-Zeit wurde Zuckerrohr längst in Andalusien, Madeira und auf den Kanarischen Inseln angebaut. Es war Kolumbus selbst, der die profitträchtige Pflanze von dort auf seiner zweiten Reise 1493 in seine Kolonie Hispaniola brachte, um sie von den Siedlern anbauen zu lassen. Alle Beteiligten waren sich angesichts der konstant steigenden Nachfrage in Europa über die Profitabilität der Pflanze im Klaren.
    Mit dem Ende des Römischen Reiches war die traditionelle Sklavenwirtschaft der Antike zum Erliegen gekommen. Das Mittelalter wie die arabische Welt kannten viele Formen wirtschaftlicherAbhängigkeit bis hin zur Leibeigenschaft. Aber der Einsatz von Sklaven zur möglichst effizienten – und kostengünstigen – Erzeugung landwirtschaftlicher Handelsware gehörte zur Zeit der Entdeckung Amerikas eigentlich schon der Vergangenheit an.
    Die Anfänge der modernen Sklaverei liegen in einigen von Portugiesen um 1445 vor der westafrikanischen Küste eher zufällig »erbeuteten« und versklavten Afrikanern. Man gewöhnte sich sehr rasch daran, diese Heiden gar nicht erst als Menschen zu betrachten. Diese Ideologie, das angemaßte Überlegenheitsgefühl des weißen Mannes, bildete die »moralische« Grundlage während der gesamten modernen Sklavereigeschichte bis in die Zeit der Rassen- und Apartheidskonflikte im 20. Jahrhundert, die eine Fortsetzung der Sklaverei nach deren formeller Aufhebung im 19.

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