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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Einfuhrhäfen, während im gleichen Maß Venedig seine Stellung als europäischer Hauptumschlagplatz für Zucker verlor. Hier zeigt sich deutlich und konkret die weltgeschichtlich bedeutsame Umlenkung der Weltverkehrsströme aus dem Mittelmeer auf den Atlantik seit Beginn der Entdeckungsfahrten. Erst 1888 wurde in Brasilien als letztem Land des Westens die Sklaverei endgültig abgeschafft.
    Zucker ist nicht das einzige Produkt aus Zuckerrohr. Aus der Melasse, dem Restsirup, der bei der Zuckerrohrproduktion anfällt, wird Rum hergestellt.
    Durch Wasser- und Hefezusatz vergärt dieser zu Alkohol, den man dann immer weiter destilliert. Beim führenden Hersteller Bacardi sorgen besonders wertvolle Hefestämme für den typischen, eher milden Geschmack dieses eigentlich rauen Seemannsgetränks. Der Gründer, der Katalane Don Facundo Bacardi, experimentierte lange mit Rezepten, bis er 1862 mit der Produktion seines Edel-Rums auf Kuba begann. In seiner Destille hausten Fledermäuse. Sie wurden zum Emblem eines der ältesten Markenprodukte.
    Die Caipirinha-Basis Cachaça hingegen gewinnt man nicht aus der Melasse, sondern aus dem Zuckerrohrsaft selbst.
Zuckerrübe
    Mehr als die Hälfte der Weltzuckerproduktion stammt vom Zuckerrohr, die andere aus der Zuckerrübe. Beide Zuckersorten sind chemisch identisch. Aber die Kulturgeschichte der Zuckerrübe verlief bei Weitem nicht so dramatisch und folgenreich wie die des Zuckerrohrs, und sie ist auch nicht so alt.
    So allgegenwärtig verschiedene Rübenpflanzen im Alltag als Gemüse oder Salat auf unseren Esstischen sind – hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung werden sie von der Zuckerrübe mit Abstand in den Schatten gestellt. Aus ihr wird in unseren Breiten der Haushaltszucker gewonnen – und zwar in einem aufwendigen Verfahren erst seit dem 19. Jahrhundert.
    Die Entdeckung des Zuckergehalts der Runkelrübe gelang 1747 dem Berliner Chemiker und Apotheker Andreas Sigismund Marggraf. Die Zuckerrübe entstand zu Marggrafs Lebzeiten seit 1782 durch die Züchtung aus der Runkelrübe (Futterrübe). Futter- oder Zuckerrüben sind anspruchsvoll hinsichtlich Boden und Düngung. Fast alle EU -Länder bauen sie an, nur nicht Luxemburg, Estland,Zypern und Malta, während Frankreich, Deutschland und Polen den Markt anführen.
    Die erste Zuckerrübenfabrik, fast noch eine agrartechnische Versuchsanstalt, errichtete ein wissenschaftlicher Schüler Marggrafs, der umtriebige und vielseitige Naturforscher und Experimentator F. C. Achard. Die Anlage wurde 1801/1802 in Schlesien mit Hilfe eines Darlehens des preußischen Königs gebaut. Dieser hatte sofort verstanden, dass man sehr viel Geld sparen konnte, falls man den Zucker selbst herstellte, statt die teure Kolonialware zu importieren. Übrigens sollen britische Rohrzuckerproduzenten versucht haben, Achard zu bestechen, von seinen Zuckerexperimenten Abstand zu nehmen. Sie fürchteten zu Recht um ihre Stellung auf dem Weltmarkt.
    Achard geriet bald in Vergessenheit, England überschwemmte 1813 den Kontinent mit billigem Sklavenzucker, doch nach der Entstehung des Deutschen Zollvereins 1834 schottete sich dieser Wirtschaftsraum, der große Teile Deutschlands umfasste, durch hohe Importzölle auf Kolonialzucker ab. Achards Methode der Zuckerherstellung wurde seit den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts fabrikmäßig betrieben. Fortan wurde Zucker zu einem Produkt, das sich jeder Haushalt leisten konnte.
    Zuckerrüben werden in der Fabrik zu Schnitzeln zerkleinert. Dann beginnt ein komplizierter technischer Prozess der Extraktion des Zuckers durch Auslaugen, Ausfiltern, Eindicken durch Verdampfen, Kristallisieren durch Unterdruck, Zentrifugieren (Raffinieren). Diese Extraktion von Zucker aus der Zuckerrübe ist nicht ganz so einfach wie die von Kaffee aus dem Kaffeepulver in der Kaffeemaschine.
    Noch um 1900 gab es viele kleinere und mittlere Zuckerfabriken in Deutschland. Das Gewerbe war also sehr mittelständisch organisiert. Heute sind nur noch drei große Zuckerkonzerne tätig, die in ihren Regionen (Norden, Mitte, Süden) als Monopolisten agieren. Allein der europäische Marktführer Südzucker AG , dersechs Milliarden Euro Umsatz erzielt, entstand 1926 aus dem Zusammenschluss von fünf Unternehmen.
    Auf dem Weltmarkt ist Zucker vergleichsweise billig, da er dort nur die Hälfte des EU -Zuckers kostet. Das liegt an den großen Mengen von Rohrzucker und an dessen geringeren Produktionskosten, die in der EU dreimal so hoch sind.

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