Die Weltgeschichte der Pflanzen
Jahrhundert darstellen. Durch die Massen der für den Zuckerrohr- und Baumwollanbau eingesetzten Sklaven wurde in der Kolonialzeit die für das gesamte Römische Reich geschätzte Zahl von zwei Millionen gleichzeitig lebenden Sklaven übertroffen.
Der erste Einsatzort dieser Westafrikaner waren die vernachlässigten Zuckerrohrfelder im Süden der Iberischen Halbinsel. Die christlichen Spanier hatten Ende des 15. Jahrhunderts mit den Mauren auch das Know-how für den Zuckerrohranbau vertrieben, insbesondere für die Pflege der Bewässerungssysteme. Kurz darauf kam im Nahen Osten durch die türkische Eroberung ab 1520 der von den Arabern auch dort gepflegte Zuckeranbau zum Erliegen. Die Angebotsverknappung bei steigender Nachfrage auf dem europäischen Markt ließ die Preise in die Höhe schnellen. Da lohnte sich für die Spanier, die keine begnadeten Agrarfachleute waren, in Andalusien die Investition in schwarze Arbeitskraft, um aus den nicht sehr effizient bewirtschafteten und nicht mehr sorgfältig bewässerten Zuckerrohrfeldern wieder einen Gewinn herauszuholen. In Sevilla entwickelte sich rasch ein Sklavenmarkt, den die Portugiesen mit Lieferungen bedienten. Dieses Muster wurde für den Zuckerrohranbau alsbald in die Karibik übertragen.
Eingeborene Indianer wurden schon von Kolumbus und den spanischen Siedlern für die schwere Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern versklavt, der sie kaum standhielten. Die Sklaverei war von Anfang an umstritten und bereits 1512 von der Regierung Kaiser Karls V. verboten worden, doch derartige Gesetze wurden in den Kolonien weder beachtet noch geahndet. Der Dominikaner Bartolomé de las Casas (1484-1566) erreichte bei der spanischen Krone eine Untersuchung der Misshandlungen und der Zwangsarbeit, die jedoch im Sande verlief. Las Casas hatte sowohl an der zweiten Kolumbusreise wie an der Eroberung Kubas teilgenommen (1493 und 1511-1515). Er erwarb selbst Grund, Minenrechte und Sklaven, behandelte diese aber so menschlich, dass er bald als heiligmäßig galt. 1520 machte der inzwischen berühmte und sehr geachtete Las Casas während einer Audienz bei Karl V . in bester Absicht den Vorschlag, statt der empfindlichen Indianer robustere schwarze Sklaven aus Afrika für die Arbeit auf den westindischen Plantagen und in den Erzgruben heranzuziehen. 1542 erließ die spanische Krone »Neue Gesetze« zum Schutz der eingeborenen Bevölkerung, die ebenso wenig durchgesetzt werden konnten wie die frühere Schutzgesetzgebung.
Im nachfolgenden 17. Jahrhundert betrieben vor allem die Holländer jahrzehntelang das Sklavengeschäft mit ihren berüchtigten Dreiecksfahrten. Ihre mit Rohrzucker für Europa beladenen Schiffe landeten auf der Rückfahrt zunächst in Westafrika, wo sie Sklavennachschub an Bord nahmen, der für die Zuckerrohrplantagen in der Karibik stets dringend benötigt wurde. Größere Sklavenschiffe konnten mit rund 50 Seeleuten und Bewachung gut 500 Sklaven transportieren. Zeitweise waren dafür 400 Schiffe im Einsatz.
Auch die Franzosen spielten im karibischen Zuckerrohrgeschäft mit. Holländer wie Franzosen gaben später (1667 und 1763) ihre kolonialen Ansprüche in Nordamerika an die dort übermächtig gewordenen Briten ab – gegen Anerkennung ihrer Besitzungen in der Karibik. Dies war durch den Zuckerrohr- und Rum-Exportnoch auf lange Zeit im transatlantischen Kolonialgeschäft am profitabelsten – vor dem Tabak und erst übertroffen vom kolossalen Baumwollboom im 19. Jahrhundert.
Napoleons erste Ehefrau Joséphine stammte aus dieser französisch-karibischen Zuckeraristokratie auf Martinique. Sie bewog Napoleon 1802 zur Wiedereinführung der Sklaverei in den Kolonien (bis 1848), nachdem diese durch die Französische Revolution bereits abgeschafft worden war.
Wegen des Zuckerrohranbaus war die über 400 Jahre währende Verschleppung von insgesamt zehn bis dreizehn Millionen Afrikanern in die Karibik, nach Süd- und später Nordamerika in Gang gekommen. Sie hatte das Ausmaß einer Völkerwanderung – die unter übelsten Umständen erzwungen wurde – und bildet den Hintergrund für den großen Anteil von Menschen afrikanischer Herkunft in beiden Teilen Amerikas.
Man konnte in späterer Zeit selbst Baumwollsklaven mit der Drohung erschrecken, sie auf eine Zuckerplantage zu verkaufen. Die Schufterei dort war die härteste Sklavenarbeit überhaupt. Die Logik der Sklavenausbeutung bringt es mit sich, dass die Sklavenhalter am liebsten nur junge, kräftige Männer erwarben.
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