Die Weltgeschichte der Pflanzen
schmeckt deutlich anders.
»Denn sie erkannten, dass sie
nackt waren«
Feige
Kein anderes Obst schmeckt so köstlich wie eine frisch vom Baum gepflückte Feige. Kein Wunder, denn es gibt kaum eine Frucht, die so einen hohen Zuckergehalt aufweist. Das wiederum ist der Grund, warum Feigen leicht in Gärung übergehen. Manche Arten enthalten in getrocknetem Zustand bis zu 60 Prozent Zucker. Sie müssen also entweder rasch und ohne lange Transportwege verzehrt oder getrocknet und dadurch konserviert werden. Deswegen kennt kaum jemand in Mitteleuropa wirklich frische Feigen.
Auf allen Kontinenten ist der Feigenbaum aus der Gattung Ficus sehr artenreich vertreten. Außer in Europa. Die älteste – und wirklich schon sehr alte – Kulturart ist die aus Ägypten stammende Sykomorenfeige ( Ficus sycomorus ), Maulbeer- oder auch Eselsfeige genannt. Die alten Ägypter schätzten und züchteten sie schon zur Pyramidenzeit im Alten Reich. Damals hatte die Sykomore auch kultische Bedeutung im Zusammenhang mit der Lebens- und Liebesgöttin Isis. Dann aber züchteten die Ägypter die Sykomore nicht weiter, denn sie lernten von den Assyrern die bereits ähnlich lang kultivierte Ficus carica kennen: die echte Feige.
Feigenbäume wachsen langsam und brauchen sieben Jahre, bis sie Früchte tragen, geben dann aber 50 Jahre lang eine konstant gute Ernte. Sie führen Milchsaft in der Rinde, eine typische Eigenschaft der Ficus -Arten, die ja »Gummibäume« sind. Bestäubt werden die Blüten nur von einer bestimmten Schlupfwespenart. Diese Befruchtung, ein hochkomplizierter Prozess, haben schon die maßgeblichen Naturforscher der Antike beobachtet.
Feigen gehören zusammen mit Oliven, Datteln und Weinbeeren zu den sehr alten Kulturpflanzen des Mittelmeers. Manche Forscher halten sie sogar für die älteste angebaute Fruchtpflanze überhaupt. Immerhin gibt es archäologische »Fundstücke«, Pflanzenreste aus einer jungsteinzeitlichen Siedlung im Westjordanland, die man aufgrund bestimmter botanischer Eigenschaften für Kulturpflanzen und nicht für Wildpflanzen hält: Gerste, Hafer, Eicheln und Feigen. Falls das stimmt, ist die relativ einfache Feigenzüchtung in dieser Gegend rund 5000 Jahre älter als die Domestizierung von Wein oder Olive. Der Fund wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf den allmählichen, schrittweisen Übergang vom Jagen und Sammeln zur Sesshaftigkeit am Anfang der Jungsteinzeit im Fruchtbaren Halbmond: ein fester Siedlungsplatz mit »Häusern«, in denen bereits gesammelte Getreidesamen als Nahrungsvorrat gelagert wurden und nebenbei oder vielleicht auch hauptsächlich der Anbau einer leicht zu kultivierenden Pflanze.
Die großen Schatten spendenden Feigenblätter sind wegen ihrer sprichwörtlichen Verwendung in der Alltagssprache eines der bekanntesten Pflanzensymbole überhaupt. Geprägt wurde es durch die biblische Erzählung von der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies. Nachdem die beiden vom verbotenen Baum der Erkenntnis genascht hatten und »erkannten, dass sie nackt waren … flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze« (Genesis 3, 7). Jeder Angehörige des christlichen Kulturkreises kennt diese Bibelstelle und die unzähligen bildlichen Darstellungen.
Für das Christentum ist diese Episode der Ausgangspunkt seiner gesamten Theologie: Weil die ersten Menschen sündigten, sind alle Menschen Sünder. Nur Gottes Gnade kann sie erlösen. Ihre Durchschlagskraft und Popularität verdankt die Paradieserzählung auch dem Umstand, dass es bis weit ins 19. Jahrhundert hinein keine andere Erklärung für die Entstehung von Welt, Natur und Menschen gab als den Bericht der Bibel, den man wie einen Tatsachenbericht hinnahm. Und nach dieser Vorstellung stammteneben alle Menschen von Adam und Eva ab. Folglich waren alle Sünder. Erst Darwins Entwicklungslehre von der Evolution der Arten in der Natur durch Zufall und Selektion sowie die darauf fußende anfänglich oft und absichtlich missverstandene Vorstellung, der »Mensch stamme vom Affen ab«, hat dieser Bibelmythe ihre Unmittelbarkeit genommen.
Übrigens hörte man auch erst nach 1800 damit auf, das Alter der Welt nach den Jahresangaben in der Bibel zu zählen. Dass Welt und Universum rund 7.500 Jahre alt sein sollen, war bis dahin allgemein anerkanntes »Wissen«.
Die behaarte Frucht
Kiwi
Der Kiwi stammt aus Neuseeland. Die Kiwi stammt aus Südchina. Die »Kiwi-Pflanze« ist – wie der Weinstock – eine große, verholzende
Weitere Kostenlose Bücher