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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Liane namens Strahlengriffel ( Actinidia chinensis ). Die essbaren Früchte von Strahlengriffeln sind die Kiwis.
    Weil die Früchte kurioserweise nach dem neuseeländischen Flugvogel benannt sind und Neuseeland ein Hauptanbaugebiet ist, verwechselt man leicht das Hauptanbaugebiet mit der botanischen Heimat.
    Die grünen Kiwis aus dem Supermarkt gehören zu der Art Actinidia deliciosa , die als reine Kulturpflanze aus der chinensis gezüchtet wurde. Ursprünglich nannte man sie übrigens Chinesische Stachelbeere, weil die ersten Neuseeländer, die die neue Frucht kosteten, fanden, sie schmecke so ähnlich. Aber botanisch gesehen hat die Strahlengriffel-Frucht nichts mit Stachelbeeren zu tun. Überhaupt ist »Kiwi« keine botanische Bezeichnung, sondern wurde um 1960 aus markttechnischen Überlegungen von der Gartenbaufirma Turners & Growers kreiert, um ein neuseeländisches Markenprodukt zu schaffen. Die Assoziation zum Kiwi-Vogel war: außen braun und behaart (gefiedert). Zuvor war übrigens auch die Bezeichnung »Melonette« erwogen worden. Im Ursprungsland China selbst heißen die Strahlengriffel-Früchte mihou tao und mihou li , »Makaken-Pfirsich« und »Makaken-Birne« (Makaken sind eine Affenart), nebst »Weinbirne«, »Sonnenpfirsich« oder »Waldbeere«.
    Strahlengriffelgewächse kommen nur in Südostasien vor; sie gehören zur Ordnung der Heidekrautartigen. Daher sind sie eher weitläufig mit dem Teestrauch, Azaleen, Rhododendren, Heidekraut, Heidelbeeren, Preiselbeeren und Primeln verwandt. In China wächst Actinidia überwiegend an den Gebirgshängen des Jangtsekiang.
    Größtes Anbau- und Exportland, vor allem für den europäischen Markt, ist Italien, gefolgt von Neuseeland und Chile. Das Strahlengriffel-Heimatland China gehört nicht zu den zehn weltgrößten Produzenten.
    Erst seit 1905 werden Kiwis in Neuseeland angepflanzt. Die Vorsteherin einer Reihe von Missionsschulen hatte von einer Inspektionsreise aus China Samen mitgebracht; 1910 trugen diese Strahlengriffel-Pflanzen in Neuseeland zum ersten Mal Früchte. Nun nahm sich der Gartenbauwissenschaftler Hayward Wright der Pflanze an und züchtete die heute am meisten geerntete Sorte, die er nach sich selbst »Hayward« nannte.
    Die Missionsschulinspektorin Mrs. Fraser, die die Samen aus China mitbrachte, und Mr. Wright waren also sozusagen die Entdecker der Obstnutzung der Strahlengriffel-Pflanze mit ihrer für die westliche Welt neuartigen Frucht. Als Entdecker der Strahlengriffel-Pflanze selbst gilt indes Mr. Ernest H. Wilson (1876-1930), einer der legendären Pflanzenjäger des 19. und 20. Jahrhunderts.
    In der »guten alten Zeit« verfolgten Pflanzenkundler keine kommerziellen Interessen. Man dokumentierte, berichtete und brachte Proben des Erforschten mit in die Heimat. Das war bei den botanischen Gelehrten im Gefolge Alexanders des Großen ebenso der Fall wie bei dem römischen Feldherrn und Pflanzensammler Lukullus, bei den Entdeckern seit Kolumbus, den Renaissance-Gelehrten wie Clusius und den Forschungsreisenden wie Alexander von Humboldt. Auch die Weltumsegelungen von James Cook sind für ihre botanische Ausbeute aus vorwiegend wissenschaftlichem Interesse bekannt.
    Dies änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als Pflanzensammler von (englischen) Gärtnerei- und Baumschulbetrieben explizit mit dem Auftrag auf Reisen geschickt wurden, exotische Pflanzen zusuchen, die sich im Freiland oder im Gewächshaus züchten und gut verkaufen ließen.
    Eine der führenden Gartenbaufirmen Englands, ja Europas, war Veitch and Sons in Exeter, später auch mit einer Filiale im Londoner Stadtteil Chelsea. Zur Zeit Ernest H. Wilsons wurde der um 1800 gegründete renommierte Familienbetrieb bereits in der vierten und fünften Generation geführt. Und Wilson war nicht der erste Pflanzensammler für Veitch and Sons, aber der erfolgreichste.
    Wilson, der eine Gärtnerlehre absolvierte und sich im berühmten Botanischen Garten von Kew Gardens hatte weiterbilden lassen, wurde 1899 von Veitch auf seine erste China-Expedition ausgesandt. Das Hauptinteresse der Firma galt zunächst dem Taschentuchbaum ( Davidia involucrata ) mit seinen etwas bizarr geformten Blättern und Blüten – der Name sagt alles. Davidia involucrata war europäischerseits bereits 1868 von einem französischen Jesuitenpater entdeckt worden.
    Firmenmitinhaber Harry Veitch hatte Wilson vor dessen Abreise eingeschärft, sich »voll und ganz auf die Suche nach dem Taschentuchbaum zu

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