Die Weltgeschichte der Pflanzen
süßes Quittenmus, kam erst im 16. Jahrhundert nach Frankreich und Deutschland. Zu Beginn der Neuzeit wurde die Quitte nur in Südspanien oder Portugal zu marmelo verkocht, da es eben auch nur dort nennenswerteMengen von Rohrzucker gab. Das Wissen darum, das »Rezept«, war jedoch schon den Griechen in der klassischen Antike bekannt gewesen, die entdeckt hatten, dass Quittenmus gerinnt, wenn es langsam mit Honig gekocht wird. Alle übrigen Früchte wie Feigen, Aprikosen und Datteln konnte man, gerade in den Mittelmeerländern, roh oder getrocknet genießen. Anders als bei der Quitte bestand kein Bedürfnis, auch keine Notwendigkeit, sie zu süßen. So wurde die Quittenmarmelade zur ältesten Marmelade der Welt.
Erste Proben portugiesischer marmelo gelangten um 1530 nach England. König Heinrich VIII . hat davon probiert und sich nachweislich dafür bedankt. Damit kannten die Engländer immerhin ein neues Wort, marmelade , und sie hatten eine Vorstellung, was man aus Zucker und Frucht machen konnte. Abgesehen von der portugiesischen Quitten- marmelo gab es bis kurz vor 1800 keine Marmelade-Produktion im modernen Sinn. Dann gelang Janet Keiller im schottischen Dundee eher durch Zufall eine wegweisende Erfindung. Mrs. Keillers Ehemann, ein Lebensmittelkrämer, hatte eine Ladung Bitterorangen von einem spanischen Schiff erstanden, dass es wegen eines Sturms nach Dundee verschlagen hatte. Janet Keiller schnitt die im Rohzustand ungenießbaren Bitterorangen kurzerhand klein und kochte sie mit Zucker ein. Ein in jeder Hinsicht erfolgreiches Rezept. Dank guter Nachfrage gründete James Keiller 1797 die noch heute bestehende Marmeladen-Marke Keiller’s, die inzwischen Teil des englischen Robertson’s-Konzerns ist. Im Englischen werden nur Zitrusmarmeladen als marmelade bezeichnet; alle anderen Fruchtmarmeladen (Erdbeer-, Himbeer- und auch Quittenmarmelade) nennt man jam .
Janet Keillers bahnbrechende Marmelade-Erfindung beruht auf einer grundlegenden Voraussetzung, die leicht übersehen wird: Zu ihrer Zeit hatte man herausgefunden, dass sich Zucker auch aus den einheimischen Zuckerrüben gewinnen lässt. Durch deren Anbau war man nicht mehr auf die teuren Rohrzuckerimporte aus der Karibik angewiesen.
Obstfrüchte hatten bis ins 19. Jahrhundert hinein nie eine bedeutende Rolle in der Ernährung gespielt, erst recht keine wirtschaftlich bedeutende Rolle. Vor der Reife sind Obstfrüchte im Allgemeinen ungenießbar, und wenn sie reif sind, verderben sie schnell. Obstverzehr war immer nur lokal möglich. Keillers Erfindung sowie die leichtere Verfügbarkeit von immer billigerem Zucker begründeten den Aufschwung der Süßkonservenindustrie.
Der Kräutergarten am Mittelmeer
Anis
Viele botanische Verwandte des Doldenblütlers Anis ( Pimpinella anisum ) finden in der Küche Verwendung: Kümmel, Koriander, Dill, Liebstöckel, Fenchel, Petersilie, Sellerie. Ein weiterer Verwandter, der Schierling, ist allerdings sehr giftig. Dill stammt wie der Anis aus Vorderasien, wird aber heute überall angebaut und ist eines der meistverwendeten Küchenkräuter Europas.
Im Griechischen bedeutet das Wort ánison eigentlich »Dill«. Beide Pflanzen sehen sich auf den ersten Blick auch recht ähnlich, wie übrigens alle Doldenblütler. Es war der schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707-1778), der in bahnbrechender Weise die Pflanzenwelt systematisch zu ordnen versuchte. Linné erstellte umfangreiche Verzeichnisse mit wissenschaftlichen Termini, die immer aus zwei Teilen bestehen: Gattungsname und Artname, also beispielsweise Malus domestica (»Kulturapfel«) oder Malus sylvestris (»Wildapfel«, auch Holzapfel genannt; sylvestris bedeutet eigentlich »Wald«). Das ist die nach wie vor in der Wissenschaft verwendete binominale Nomenklatur. Sie sollte dazu beitragen, Verwirrungen wegen verschiedener Benennungen in verschiedenen Sprachen zu vermeiden – wie eben bei ánison , was »Dill« bedeutet, aber den Anis bezeichnet. Für die Wissenschaft war eine solche Taxonomie unerlässlich. Denn ungenaue botanische Benennungen gibt es sogar in ein und derselben Sprache: Mit »Bohnen« bezeichnen wir Deutschen etwa sowohl die hellen Ackerbohnen ( Vicia faba ) als auch die grünen Stangenbohnen ( Phaesolus vulgaris ). Beides sind nicht nur unterschiedliche Arten, sie gehören sogar zu verschiedenen Pflanzengattungen und sind außerdem völlig unterschiedlicher Herkunft:die Ackerbohne stammt aus dem Nahen Osten, die Stangenbohne aus der Neuen
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