Die Weltgeschichte der Pflanzen
bezog sich selbstverständlich nur auf die kleine Walderdbeere. Eine andere kannte man in den damaligen Zeiten, die noch Sinn für derartige Natursymbolik hatten, nicht. Die weißen Blüten symbolisierten, wie alle weißen Blüten, Keuschheit. All das machte die Erdbeere zu einer perfekten Metapher für die Gottesmutter, denn im christlichen Verständnis sind diese drei Merkmale – Bescheidenheit, Demut, Keuschheit – die herausragenden Eigenschaften Marias. Dementsprechend findet man (Wald-)Erdbeeren häufig auf Marienbildnissen, besonders bei Darstellungen der Gottesmutter im Paradiesgarten.
Nach Deutschland werden ungefähr so viele Erdbeeren eingeführt, wie im Land selbst produziert werden. Früher waren Holland, Belgien und Italien starke Importländer für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Heute liefert Südspanien große Mengen, denn dort hat sich seit den Achtzigerjahren ein andalusisches Wirtschaftswunder entwickelt: sehr großflächiger Obst- und Gemüseanbau auf riesigen Plantagen unter Folie für den europäischen Markt in einem Ausmaß, das selbst die Holländer das Fürchten lehrt. Sonne und Anbaufläche gibt es in den früher bitterarmen Provinzen Almería und Huelva, wohin sich nur wenige Spanientouristen verirren, genug, aber viel zu wenig Wasser. Daher werden dort zahlreiche illegale Brunnen niedergebracht, ohne Rücksicht auf die ständige Absenkung des Grundwassers und die Versalzung der Böden durch künstliche Bewässerung. Die örtlichen Behörden scheinen nicht in der Lage oder willens, regulierend einzugreifen. Als Monokulturen sind Erdbeerfelder anfällig für Schädlinge und Pflanzenkrankheiten, die mit dementsprechendem Pestizideinsatz in Schach gehalten werden. Um auf den kargen Sandböden überhaupt Pflanzen in der vom Verbraucher gewünschten Größe und Pracht hochziehen zu können, wird massiv gedüngt. Eine weitere Kehrseite des märchenhaften andalusischen Landwirtschaftsbooms sind die niedrigen Löhne für massenhaft illegal beschäftigte Wanderarbeiter, vorzugsweise aus Marokko oder Afrika, die über das Mittelmeer geschmuggelt und von den spanischen Plantagenbesitzern zeitweilig als Erntehelfer beschäftigt werden.
All das betrifft natürlich nicht nur die Erdbeeren, sondern den gesamten Obst- und Gemüseanbau in Andalusien. Es herrscht allgemeiner Konsens, dass Nachhaltigkeit in der südspanischen Landwirtschaft keine Rolle spielt. Mitteleuropäische Verbraucher, die schon im März »frische Erdbeeren« im Supermarkt kaufen, unterstützen diese desaströsen Anbau- und Ausbeutungsmethoden.Als ob es nicht genügte, die köstlichen einheimischen Erdbeeren zu essen, die mit Beginn des Sommers auf kurzen Wegen an die lokalen Marktstände und in die Regale der Supermärkte gelangen.
Himbeere, Brombeere
Himbeeren trifft man eher in Sibirien als im warmen Klima des Mittelmeers. Das in den gemäßigten Zonen Eurasiens heimische Rosengewächs ist nahe verwandt mit der Brombeere. »Beeren« sind sie allerdings beide nicht, sondern Sammelsteinfrüchte. Die Samen dieser beiden Rosengewächse sind botanisch gesehen Steinfrüchte wie bei Kirsche, Olive und Pflaume und keine Nüsschen oder »Kerne«.
»Himbeere« geht zurück auf althochdeutsch hintberi , die Beere der Hirschkuh (Hinde). Das Motiv für diese Benennung ist aber nicht bekannt. Althochdeutsch bramberi bedeutet »Beere des Dornenstrauchs«. Das im Deutschen untergegangene Wort bramo oder brama existiert im Englischen noch als broom (»Ginster«). Und weil Ginsterzweige auch zum Fegen hergenommen wurden, ist die Hauptbedeutung von broom im Englischen mittlerweile »Besen«.
Heidelbeere, Preiselbeere
Noch weiter nördlich in Eurasien ist das Heidekrautgewächs heimisch. Natürliche Vorkommen reichen bis in die Subarktis. Daher kommen Heidelbeeren auch noch in alpinen Regionen vor. Aufgrund ihrer guten Kälteverträglichkeit zählen sie zu den Pflanzenpionieren: Am Ende der Eiszeiten besiedelten sie zusammen mit Heidekräutern, Birken und Kiefern die vom Eis befreiten Böden. Heidelbeeren ( Vaccinium myrtillus ) sind endlich einmal echte Beeren im botanischen Sinne, ebenso die nahe verwandten Preiselbeeren ( Vaccinium vitisidaea ).
Im Winter werfen Heidelbeeren ihr Laub ab, Preiselbeeren nicht.Diese kommen sowohl in Eurasien als auch in Nordamerika vor, unter der schützenden Schneedecke sogar in Grönland. Die amerikanische Cranberry (»Moosbeere«, botanisch Vaccinium marcarpon ) ist keine Preiselbeere und
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